#23: Remain In Light

Für das dreiundzwanzigste Album lasse ich den Zufall entscheiden. Die 80er sind wieder mal dran. Es gewinnt Remain In Light von Talking Heads.

Release: 8. Oktober 1980
Genre: New Wave, Funk, Art-Rock
Dauer: 40:10

Erwartungen
Ich kenne die Band kein bisschen. Nach Patti Smith ist's glaube ich generell erst das zweite Mal, dass ich so gar keinen Plan habe, was mich erwarten könnte. Die Beschreibungen, die ich im Vorlauf lese, verwirren mich noch mehr: Scheinbar wurde das Album ganz entscheidend von afrikanischer Musik geprägt. Es soll sehr funkig und munter sein. Könnte spannend werden.

Eindrücke
Es ist wie so oft, wenn man erst einmal in ein Album, ja, in ein ganzes Genre hineinwachsen muss. Nicht, dass ich mit Funk nie in Kontakt gekommen wäre, es ist eher die Kombination mit Classic-Rock-Elementen und Afro-Einflüssen, die mich ganz am Anfang erst einmal massiv verwirren. Vom Ansatz her fühle ich mich ein bisschen an die Young Fathers erinnert, die letztes Jahr mit Cocoa Sugar ein recht ansprechendes Album auf den Markt gebracht haben. 
Remain In Light bringt mich in Bewegung, und das vom ersten Moment an, was vor allem an der mitreißenden afrikanischen Percussion liegt. Es passiert unfassbar viel, so dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Ein Track, der das alles für mich perfekt vereint, ist die sechsminütige Exstase namens The Great Curve: Abgedrehte Instrumentalisierung, abgedrehter Gesang, der einen, je öfter man den Song hört, in beinahe schon spirituelle Sphäre entführt. Ja, in einer ganz seltsamen Art und Weise macht einen die Musik süchtig. Auch das folgende, etwas zurückgenommene Once in a Lifetime muss genannt werden; dieser Track punktet vor allem durch tolles Storytelling. Das wirklich Schöne an Remain In Light ist der smoothe Übergang von der lebensbejahenden Eskalation der ersten zur Introvertiertheit der zweiten Albenhälfte. Diese scheint sich sehr an Naturklängen zu orientieren und spielt atmosphärisch in einer eigenen Liga. Im träumerischen Seen And Not Seen könnte man sich vollständig verlieren, während der Schlusstrack The Overload das Unheil ankündigt, was einen aber trotz einer gewissen Unbehaglichkeit nicht abschreckt. 

Fazit
Nun, das war mal ein Event. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich das Album für mich wirklich einordnen konnte. Gerade am Anfang ist es kein einfaches Hören; es löst erst einmal ganz große Verwirrung aus, glaubt mir. Doch je mehr man sich auf Remain In Light einlässt, desto mehr offenbart sich einem. Es ist das Album, das mich am ehesten an eine - ich nenne das jetzt einfach mal so - spirituelle Erfahrung gebracht hat. Man kann sich richtig darin verlieren und einwickeln lassen. Und es gibt keinen Moment auf diesem Album, der mir gar nix gibt. Und mehr kann ich echt nicht verlangen. Geiles Ding.


#21: Turn On The Bright Lights

Die Labels sind bekannt: Indie-Rock. New York. Beginn der 2000er. Sorry, aber zurzeit bin ich voll und ganz in diesem Buch Meet Me In the Bathroom versunken, das sich mit der Szene um die Strokes, Yeah Yeah Yeahs und anderen auseinandersetzt. Dabei bekam ich eine auch eine Menge zur Entstehung der folgenden Platte zu lesen und habe schon mit den Füßen gescharrt, sie endlich mal in voller Länger zu hören: Interpol mit Turn On The Bright Lights.

Release: 20. August 2002
Genre: Indie-Rock
Dauer: 49:02

Erwartungen
Dass Interpol ganz sicher nicht so einfach mit den Strokes oder den Libertines in einen Topf zu werfen sind, das weiß ich. Sie klingen düsterer, ein bisschen experimenteller. Woher ich das weiß? FRIENDS. Es ist schon ziemlich komisch, aber der Song Untitled war tatsächlich in einer Folge der Sitcom zu hören, und das sogar direkt am Ende der vorletzten Staffel. So sehr ich Untitled in der Folge auch lieben gelernt habe, so deplatziert fühlt sich der Song, so im Nachhinein, in der Serie an. Zu How I Met Your Mother oder auch Scrubs hätte Untitled wunderbar gepasst, aber in FRIENDS, das nun wirklich nicht übermäßig viel mit Soundtracks gearbeitet hat? Kommt mir im Nachhinein irgendwie seltsam vor.
Kommen wir zurück zum Wesentlichen: Ich erwarte ein nachdenkliches, womöglich auch sehr emotionales Album. Und auch hier werde ich sehr auf die Lyrics achten, denn die sind, so verriet mir angesprochenes Buch, offenbar ebenfalls hochinteressant. Ich hab Bock.

Eindrücke
Ich wollte dieses Album wirklich mögen, wahrscheinlich mehr als jedes andere in dieser Liste. Doch Turn On The Bright Lights konnte bei mir mal so gar nicht zünden. Dass ich nach einem Durchgang manchmal denke, "Ach, DAS war's schon?", das ist nicht neu. Dass sich dieses Gefühl aber immer weiter intensiviert, das kannte ich - zumindest im Rahmen dieses Alben-Projekts - noch nicht.
Vieles liegt wohl an meiner Erwartungshaltung. Untitled halte ich - ich kann's nicht oft genug wiederholen - für einen der herzzereißendsten Songs des 21. Jahrhunderts. Ein wahres Brett, gleich zu Beginn. Es konnte nur bergab gehen. Doch nicht nur das: Der Opener hat einen ganz anderen Vibe versprochen. In FRIENDS war Untitled deplatziert, ja, doch aufs Album passt es irgendwie auch nicht so ganz. Dieser, ich nenne es jetzt mal so, Radiohead-Stil prägt noch genau einen weiteren Song auf Turn On The Bright Lights, nämlich NYC. Die melancholisches Hommage an die Weltmetropole versteht es perfekt, das Post-9/11-Gefühl aufleben zu lassen. Generell gefällt mir Paul Banks' Stimme besser, wenn er sie sanft dahinschweben lässt.
Textlich packen Interpol schwermütige Themen an, erzählen von Sucht, verlorener Liebe und den alltäglichen Begegnungen in der anonymen Großstadt, was meist stark verpackt ist. Tatsächlich ist  es lyrisch eine super unterhaltsame Platte, voller cleverer Wortspiele und kryptischer Erzählweisen ("Don't waste wine when there's words to sell" in Obstacle 2 ist beispielsweise meine Lieblingszeile des gesamten Albums). Die Instrumentalisierung kann damit aber oft nicht mithalten. Die beiden Obstacle-Nummern würde ich noch als Highlights hervorheben, doch das war's auch schon mit meiner Begeisterung. Viel zu oft fühle ich mich hingehalten und gelangweilt, wenn höchstens durchschnittliche Songs (vor allem Stella Was A Diver and She Was Always Down) unnötig in die Länge gezogen werden.

Fazit
Ganz sicher werde ich das Album in einem ruhigen Moment nochmal anpacken, denn so ganz aufgegeben habe ich Turn On The Bright Lights noch nicht. Und das obwohl ich dem Album schon mehr Durchläufe geschenkt habe, als jeder anderen Platte bisher. Stand jetzt ist es jedenfalls die größte Enttäuschung. Schade.

LBNL-Charts: März I (2019)

In der ersten Ausgabe des Frühlings bleibt es noch vergleichsweise ruhig. Ein paar prominente Vertreter verabschieden sich aus der Liste, während sich drei, vier starke Newcomer in Stellung bringen.
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Neueinsteiger

2019 / Rock
Holy shit, auf ein Comeback der Black Keys in 2019 hätte ich nicht unbedingt gewettet. Lo/Hi macht auch gleich unmissverständlich deutlich, warum sie schmerzlich vermisst wurden. Die Nummer ist, wieder mal, eine fantastische Hommage an den den Glam-Rock der 70s und scheint bass-technisch schon recht offensichtlich von Norman Greenbaums Spirit In The Sky inspiriert zu sein. Doch die Jungs heizen das ganze noch mit Soul und einem Killer-Riff an, ein Mix, der unfassbar Laune macht. Ich freue mich auf mehr!

1991 / Grunge
Ich habe mich voll und ganz in Ten verliebt. Ganz sicher das beste, was ich im Rahmen meines 100-Alben-Dings bisher zu hören bekam. Objektiv gesehen mag Alive nicht mal der beste Song der Platte sein, wohl aber der euphorischste. Die Art und Weise wie Eddie Vedder den Chorus singt, das ist ... das ist von einem anderen Stern.

2019 / EDM, Pop
Ich bleibe dabei: Robin Schulz ist einer der besseren DJs im Mainstream. Meine große House/EDM-Phase mag hinter mir liegen, doch ein guter Drop bekommt mich immer noch rum - und damn, was dieser in Melancholie getränkte Dopaminüberschuss von Speechless mit mir macht, ist ganz groß. Dazu kommt noch die verletzliche Stimme von Erika Sirola und eine verdammt eingängige Hook - ich mag's sehr.

Adele - Sweetest Devotion
2015 / Pop
Aus Langeweile habe ich mal wieder die Diskographie von Adele ein bisschen durchstöbert, wie man das manchmal so macht, und saß dann etwas entgeistert da, weil ich Sweetest Devotion vom letzten Album irgendwie verpasst habe. Adele schrieb die euphorische Nummer für ihren Sohn und, was soll ich sagen, es hört sich fantastisch an. Hab ich immer wieder gerne gehört in den letzten Wochen.

zebrahead - Do Your Worst
2019 / Punk-Rock
Dies ist ein kleiner Antester, mein (derzeit) liebster Track vom neuen zebrahead-Album. Diese Band fasziniert mich, denn sie ändern seit nun fast zwei Jahrzehnten eigentlich gar nicht so viel an ihrem Rezept und machen beständig unfassbar eingängigen Punk-Rock. Und obwohl ich das Gefühl habe, die Chorde und die Melodie so schon mehrfach gehört zu haben, ist Do Your Worst ein Track, wie ich ihn mir erhofft habe. Vielleicht rutscht auch in der nächsten Ausgabe noch was von Brain Invaders hier rein. In Dauerschleife läuft die Platte bei mir jedenfalls ...

The Who - Love Ain't For Keeping
1979 / Rock
Ein weiteres Überbleibsel vom 100-Alben-Projekt. Seit einigen Wochen schwirrt diese wunderbare Classic-Rock-Nummer nun schon in meiner Rotation umher, doch es brauchte ein paar erste Frühlings-Sonnenstrahlen, um sie endlich in die Top 20 zu heben. Der Song lebt allein mit seinen genialen Gitarren ein Gefühl von Freiheit vor und weckt Vorfreude auf den Sommer.
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Meine Top 20 vom 15. März 2019


TitelKünstlerDebüt
1AlaskaMaggie RogersFebruar II(-)
2LonerYUNGBLUDJanuar II(+7)
3Checkpoint (Nie Game Over)BilderbuchFebruar II(+8)
4Lo/HiThe Black KeysMärz INEU
5AlivePearl JamMärz INEU
6Love Has All Been Done BeforeJade BirdJanuar I(-1)
7SpeechlessRobin Schulz ft. Erika SirolaMärz INEU
8Someone GreatLCD SoundsystemJanuar II(-6)
9Sweetest DevotionAdeleFebruar IINEU
10With or WithoutTired LionDezember II(-7)
11Lose Lose LoseSWMRSFebruar II(+2)
12Europa 22BilderbuchFebruar II(-)
13DownTHUMPERFebruar I(+2)
14About HerGender RolesJanuar II(-4)
15breathinAriana GrandeJanuar I(-7)
16Do Your WorstzebraheadMärz INEU
17HospitalizedBroodsFebruar I(-1)
18HeroinBadflowerFebruar I(-11)
19I Get No JoyJade BirdFebruar I(-15)
20Love Ain't For KeepingThe WhoFebruar INEU
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Kommentar

Es geht doch: Mit Maggie Rogers kann endlich mal wieder jemand die Führung verteidigen. Dabei ist es nicht so, dass Alaska jetzt alles völlig dominiert, aber immer wenn ich zum Track zurückkomme, denke ich: Jupp, das ist die Perfektion, derzeit kann ich meiner Seele nichts Besseres geben. Ob das auch in den nächsten Wochen reicht? Die Konkurrenz ist jedenfalls groß: Loner legt eine starke Wende hin, während Love Has All Been Done Before mir einfach konstant im Ohr bleibt. Von den anderen Debütanten der letzten Monatshälfte präsentieren sich die beiden Bilderbuch-Songs stark und vor allem Checkpoint (Nie Game Over) könnte noch weiter steigen -  den gewissen Frühlings-Vibe hat die Nummer allemal. Ach ja, und dann gibt es da noch gleich drei verdammt gute Neueinsteiger, wenngleich es insgesamt, wie auch schon in der letzten Ausgabe, nicht ganz so viele sind.
With Or Without, der derzeitige 2019er-Krösus, wird die Liste verlassen und legt zum Abschluss noch einmal eine richtig gute Top 10-Platzierung hin. 207 Punkte ist also die Marke, die es zu schlagen gilt, keine einfache Aufgabe. Etwas überraschend ist der vorläufige Abgang von Chlorine und der Fall von I Get No Joy und Heroin, denen allen ein bisschen das Momentum abhanden gekommen ist. Aber vielleicht können sie sich in der zweiten März-Hälfte ja wieder berappeln.

#19: Surfer Rosa

Die Pixies stehen gleich zwei Mal auf der Liste. Ich gehe in chronologischer Reihenfolge vor und stürze mich als erstes auf Surfer Rosa.

Release: 21. März 1988
Genre: Alternative
Dauer: 32:50

Erwartungen
Kein geringerer als Kurt Cobain hat mal gesagt, dass Nirvana mit Nevermind eigentlich bloß Surfer Rosa imitieren wollten. Eine krasse Ansage. Und auch sonst habe ich schon mehrfach gelesen, dass die Pixies eine große Inspiration für einige meiner heutigen Lieblingskünstler waren. Bis auf Where is my mind und Gigantic - beide auf dieser Platte - fallen mir spontan aber keine Tracks ein. Zeit das zu ändern. Was ich erwarte? Keine Ahnung. Weirdness. Indie-Shit. Joa.

Eindrücke
Okay. Es ist sehr komisch. Surfer Rosa ist ein Album, das ich eigentlich echt gerne gehört habe, da es so ungewöhnlich ist. Die Sänger quatschen immer wieder dazwischen, so dass sich die Platte wie eine einzige Studio-Session anfühlt, das ist echt spannend. Das Gefühl kommt auch durch die kurze Länge der Songs zustande. Manchmal kommt es einem so vor, als ob die Songs so improvisiert worden sind (was sie, ich hab's nachgeguckt, natürlich nicht wurden). Es ist unperfekt - was den Zauber von Surfer Rosa ja auch ausmacht, wirklich, doch bei mehrmaligen Hören erweist sich das dann als nicht ganz unerhebliche Hürde. Der Eindruck des Improvisierten verschwindet natürlich, weil man es ja schon gehört hat, und die Unperfektheiten beginnen einen zu nerven. Noch nie hatte ich zwischen dem ersten Hören (komplette Begeisterung!) und den folgenden Wiederholungen (Augenrollen) so eine Diskrepanz.
Zu den Songs: Where Is My Mind und Gigantic waren die bekanntesten Songs, und sind auch leider die besten geblieben. Sie heben sich mit ihrer vermeintlich normalen Länge angenehm vom Rest ab. Der Rest wirkt manchmal wie komplett eskalierendes Geschrammel ("Broken Face"). Ich kann schon nachvollziehen, dass Kurt Cobain dieses Album als eine große Inspiration für Nevermind nannte, er muss diese Rauheit geliebt haben, das Spiel mit den Erwartungen. Doch im Gegensatz zu Nevermind fehlen Surfer Rosa die Songs, an die man sich wirklich gerne erinnert. Break My Body etwa. Das klingt durch das Zusammenwirken der Stimmen von Kim Deal und Frank Black (was für geile Namen, btw) echt cool. Und Tony's Theme macht gerade durch die Proberaum-Atmosphäre und dem Blödeleien irre viel Spaß, doch diese Momente sind mir etwas zu selten.

Fazit
Ich bin wirklich keiner, der vor Weirdness und Experimenten zurückschreckt, weshalb ich den Appeal von Surfer Rosa definitiv erkenne. Vielleicht werde ich es wieder vollends lieben, wenn ich es ein paar Monate mal nicht gehört habe und dann einfach hineinspringe. Vielleicht klang ich auch etwas negativer gegenüber dem Album, als ich tatsächlich bin, denn ich mag den Gedanken hinter Surfer Rosa voll - nur stoße ich mich an seinen Kanten ein bisschen zu oft. 

LBNL-Charts: WINTER-SPECIAL

Das erste Quartal meiner LBNL-Charts ist vorüber. Noch ist das alles ein Experiment und als solches hat es doch einige Statistiken fabriziert. Tauchen wir doch gleich mal hinein:

  • Im Winter schafften es insgesamt 55 Songs mindestens einmal in die Top 20 - 34 davon mehrfach. Insgesamt debütierten in den vergangenen drei Monaten 40 neue Songs, der Rest stammte noch aus dem Herbst. Die Ausgabe mit den meisten Neueinsteigern war der Februar II - zehn an der Zahl.
  • Das quantitativ stärkste Genre war Indie-Rock (22 Songs). Überraschend wichtig war mir im Winter aber auch klassischer Pop und Electro-Pop (zusammen 18 Songs).
  • Viele Bands und Sänger waren mehrfach vertreten und hinterließen somit einen besonderen Eindruck. CHVRCHES (2 Songs mit 218 Punkten), Twenty One Pilots (2 Songs mit 211 Punkten), Ariana Grande (2 Songs mit 199 Punkten),  Jade Bird (2 Songs mit 190 Punkten) und SWMRS (4 Songs mit 182 Punkten) waren die fünf prägendsten Künstler des Winters.
  • In sechs Ausgaben gab es gleich fünf verschiedene Führende. Außer Maggie Rogers' Alaska haben es alle in die Season-Top 10 geschafft.
  • Dauerbrenner: Fast alle Songs in der Top 10 hatten einen langen Lauf. Zwar hat es punktemäßig nicht gereicht, doch die fünfmalige Notierung von April in Houston von SWMRS und die viermaligen Notierungen von Funny Business von Alice Merton und Foo Fighters' New Way Home haben trotzdem eine Erwähnung verdient.

Doch natürlich interessiert mich am meisten, welche Songs denn nun die beste Performance hingelegt haben. Anhand meines Punktesystems (zur Erinnerung: Platz 1 bekam 50 Punkte, Platz 20 erhielt 10 Punkte) ließ sich eine Top 10 errechnen.

Meine 10 liebsten Songs im Winter 2019

10. - 90 Punkte (#8)
MP The Kid - Stuck To My Mind
Ein für mich untypischer Song hat es auf Platz 10 geschafft. MP The Kids Autotune-Mix ist gewöhnungsbedürftig, doch in Stuck To My Mind, das einen verträumt-nostalgischen Beat mit einer genialen Hook zu einer harmonischen Einheit kombiniert, konnte ich mich nur verlieben. 


9. - 95 Punkte (#1)
Twenty One Pilots - The Hype
Schade, dass ich diese Charts erst seit Dezember betreibe, denn ich hätte gerne gesehen, wie viel Punkte The Hype während seines gesamten Runs gesammelt hätte. Es war der beste Song auf meinem Lieblingsalbum 2018 und anangefochtener Titeltrack des Herbstes. Meine Liebe reichte noch weit in den Winter hinein und hat ihn mit nur zwei möglichen Notierungen noch locker in die Top 10 gespült. Ein großer Song.

8. - 102 Punkte (#1)
 YUNGBLUD - Loner
Mit drei Notierungen der neueste Track in der Top 10. Klar, das lag vor allem an seiner überragenden ersten Woche, in der ich nicht genug von Loner bekam, doch auch so ist sein Charme nicht zu verneinen. Ganz sicher eines der interessantesten Gesichter in der Musikwelt, das Hoffnung auf mehr Rockmusik im Mainstream macht.

7. - 115 Punkte (#3)
Billie Eilish - come out and play
Wer hätte gedacht, dass mich ein Weihnachtssong so lange begleiten würde? Neben der winterlichen Stimmung, punktete come out and play vor allem mit einer simplen Botschaft: Komm aus dich raus, versteck dich nicht, du wirst es nicht bereuen. Ein Appell, den ich mir wirklich zu Herzen genommen habe, denn es bedeutet auch, sich gegenüber einer neuen Beziehung zu öffnen.

6. - 116 Punkte (#5)
Twenty One Pilots - Chlorine
Trench hat mich auch im Winter sehr begleitet, was in einer "zweiten Welle" an Songs resultierte. Chlorine nutzte diese Phase bestens und campt seit vier LBNL-Ausgaben sehr konstant im vorderen Drittel meiner Top 20. Der geniale Refrain und die kristallinen Piano-Klänge sind noch kein bisschen langweilig geworden.

5. - 125 Punkte (#3)
Ariana Grande - thank u, next
"Now I listen and laugh" - Vielleicht lache ich irgendwann wirklich über diesen Platz 5, doch Ariana Grande hat als die derzeit wohl einflussreichste Künstlerin der Welt auch bei mir mächtig Eindruck hinterlassen. Thank u, next fühlte sich wie die frische Atemluft an, der die oftmals toxische Chart-Welt gehörig durcheinander wirbelte. Klarer Favorit auf meinen liebsten Hit-Song 2019.

4. - 131 Punkte (#2)
Let's Eat Grandma - It's Not Just Me
It's Not Just Me begleitet mich schon seit einem halben Jahr. Ein wahres Finish platzierte den Song prominent in meiner Jahresauswertung 2018 und nun auch noch im Winter 2019. Wie auch The Hype war es somit ein bekannter Hort der Wärme.

3. - 136 Punkte (#2)
Jade Bird - Love Has All Been Done Before
Meine Neuentdeckung des Winters war Jade Bird. Mit ihrer kratzigen Stimme vergoldet sie Singer-Songwriter-Nummern zu mitreißenden Rock-Hymnen. Love Has All Been Done Before punktet zudem mit einer süßen Menge an Sarkasmus.

2. - 180 Punkte (#1)
CHVRCHES - Tether
Der November und Dezember waren für mich persönlich eine unglaubliche Zeit. Und immer werde ich diese mit diesem Song verbinden, vor allem mit seinem euphorie-geladenen Drop, der viele bunte Assoziationen hervorruft, die vergessen lassen, dass Tether eigentlich doch ziemlich traurig ist.

1. - 187 Punkte (#1)
Tired Lion - With Or Without
Am Ende gab es über Monate hinweg keinen hartnäckigeren Ohrwurm als diesen No Name. Eigentlich dachte ich, solch pop-punkige Teenie-Schnulzen hinter mir gelassen zu haben, doch With Or Without traf mit seiner nostalgischen Hook und jugendlich-naiver Attitüde genau den richtigen Nerv.

#18: good kid, mA.A.A.d. city

Wieder wird es Zeit für einen Ausflug in die Gegenwart, was bisher ja recht ergiebig war. Also hallo, Kendrick Lamar. Hallo, good kid, m.A.A.d. city.

Release: 22. Oktober 2012
Genre: Hip-Hop
Dauer: 68:23

Erwartungen
Wenn man in den letzten Jahren der Musikwelt zumindest halbwegs Aufmerksamkeit geschenkt hat, dann konnte man unmöglich an Kendrick Lamar vorbeikommen. Der Rapper aus Compton gehört zur Creme de la Creme des modernen Hip-Hop. Seine beiden neuesten Platten DAMN. und To Pimp A Butterfly habe ich schon intensiv gehört, und konnte mich vor allem für zweitere erwärmen.  TPAB war innovativ und ich hoffe natürlich, dass man diese musikalische Kreativität schon auf diesem Major-Debüt spüren kann. Der Titel und das Cover könnten zudem auf recht persönliche Einblicke hindeuten, ich bin gespannt.

Eindrücke
Ein echtes Brett. Und das nicht mal unbedingt nur musikalisch. Die Beats sind durchgängig laid-back und feierbar, doch der Glanz des Albums liegt vor allem in seiner Storyline. Wie vermutet, erzählt Kendrick von seiner Vergangenheit in Compton, vom rauen Alltag und den Gefahren. Einige wiederkehrende Charaktere kommen zur Sprache und Kendrick lässt den Hauptcharakter eine Entwicklung durchleben. Ich bin normalerweise keiner, der sich besonders intensiv mit Rap-Texten auseinandersetzt, aber in diesem Fall hat es sich allemal gelohnt. Noch etwas: Fragt mich nicht wieso, aber ich bin im Allgemeinen kein Fan von Kendrick Lamars Stimme. Hier aber fiel sie mir angenehm auf. Aber das nur am Rande.
Bitch Don't Kill My Vibe ist sicher eine der bekanntesten Tracks der Platte - und das völlig zurecht. Die seichten Gitarren schaffen eine tolle, chillige Atmosphäre, auf der Kendrick leichtes Spiel hat, sich glaubhaft von der Rap-Welt abzuheben. In einem ähnlich schwerelosen Raum schweben auch Poetic Justice (ein Feature mit Drake) und Real. Dazu schraubt die Kollab mit Dr. Dre (Compton) zumindest akkustisch an einer euphorischen Ausgelassenheit. Im Grunde aber ist dies ein sehr düsteres Album - und diese Momente sind dann auch die stärksten, vor allem der Opener Sherane a.k.a. Master Splinter's Daughter, das Kriminellen-Porträt The Art of Peer Pressure und das Feature mit Pharrell, good kid. Kendrick liefert hier einfach ein Meisterwerk ab, das zu keinem Zeitpunkt langweilig wird - was bei der Albumlänge keinesfalls selbstverständlich ist.

Fazit
Ich werde nie der große Rap-Experte sein, darum sind diese Kurzzusammenfassungen hier auch ziemlich oberflächlich gehalten. Dieses Album aber hat mich dazu motiviert, noch tiefer in die Texte zu gehen. Weil die Platte aber auch musikalisch abliefert, erkenne selbst ich, dass das hier ganz großes Kino ist. Interessant genug, dass ich mir Kendrick öfter zu Gemüte führen möchte.

#17: Rumours

Als ich zum ersten Mal die Idee hatte, die besten Alben aller Zeiten aufzugreifen (das war im Dezember), legte ich aus Lust und Laune sogleich los. Fleetwood Mac's Rumours sollte es sein, das ich in der berühmten Rolling Stone-Liste auf Platz 27 entdeckt hatte.

Erst wollte ich das Album in diesem "offiziellen" Rahmen nicht noch einmal genauer unter die Lupe nehmen, da es mir etwas, nun ja, "geschummelt" vorkam. Ich kannte es ja nun schon und der Zauber dieses Projekts liegt ja gerade darin, etwas komplett Unbekanntes zu erschließen. Genau das habe ich mit Rumours ja auch erlebt, nur eben zwei Wochen zu früh. Ich nehme es jetzt einfach mit rein, und zwar aus einem ganz pragmatischen Grund: Ich hänge derzeit mit den Alben etwas hinter meinem Zeitplan, weshalb Rumours jetzt quasi so etwas wie mein "Joker" ist, ein Album, für das ich nicht so viel Zeit brauche. 

Release: 4. Februar 1977
Genre: Pop-Rock
Dauer: 40:03

Erwartungen
Vor Rumours kannte ich nur zwei Lieder von Fleetwood Mac, nämlich Little Lies und Go Your Own Way. Und beide liebe ich aus tiefstem Herzen. Deshalb kam der Impuls, dieses Album einfach mal zu hören, auch nicht überraschend. Ich mochte ihren Mix aus Pop und unwiderstehlichem Rock, den ich natürlich auch auf Rumours erwartete.

Eindrücke
Ich wurde nicht enttäuscht. Eher im Gegenteil, Rumours hat mich ziemlich begeistert, denn ich habe selten ein derart perfekt konstruiertes Album gehört. Das mag komisch klingen, aber es hört sich einfach super tight und schlank produziert an. Jeder Ton ist durchdacht und sitzt perfekt, doch - und das ist die große Stärke von Rumours - es gerät aufgrund des emotionalen Zusammenspiels des Sänger-Trios Stevie Nicks, Lindsey Buckingham und Christine McVie nie in Gefahr, "roboterhaft" oder "kühl" zu klingen.
Die gefühlvollen Momente mögen überwiegen, doch der Opener Second Hand News macht sofort klar, dass man in der nächsten halben Stunde auch verdammt viel Spaß haben wird. Das Highlight der "glücklichen Sektion" ist sicherlich Don't Stop, das ich - wie sich herausstellte - auch schon mal gehört hatte - und mit seiner klaren Haltung, niemals seine Ziele aus den Augen zu verlieren, schnell einen Platz in meinem Herzen fand. Ihm folgte Go Your Own Way, das wohl jeder kennt. Der Refrain ist legendär, doch ich muss auch sagen, dass der Song im Albumkontext eine noch größere Wirkung entfaltet. Mit viel Power kommt auch The Chain daher,
Ich hatte ein bisschen befürchtet, dass die Balladen meinen Eindruck etwas schmälern könnten, doch damit lag ich komplett falsch. Viel mehr stellte sich der Nicks'-Track Dreams mit jedem Durchgang immer mehr als gänsehautverursachender Glanzpunkt von Rumours heraus. Doch auch die McVie-Songs Songbird und You Make Loving Fun gingen mir unter die Haut.

Fazit
Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich Rumours inzwischen gehört habe, ich weiß nur eins: Es wird mit jedem Durchlauf besser und besser. Es fällt einem aber auch nicht schwer, sich wiederholt hineinzustürzen, denn - wie gesagt - die Vocals harmonieren fantastisch und auch musikalisch wird es nie langweilig. Ich kenne kaum ein Album, das so unterschiedliche Emotionen wie geballte Coolness, Herzschmerz und kindliche Naivität in derartiger Leichtigkeit vereint. Es gibt es auf Rumours so gut wie keinen Track, der mich nicht irgendwie bewegt oder angestachelt hat. Und da habe ich die Produktion noch gar nicht erwähnt. Tolles Album. Ein Juwel.

#16: Ten

Ach, was wäre das einfach gewesen, wenn ich Alben mit Nummern im Titel auch auf die jeweilige Position gesetzt hätte. Also Highway 61 Revisited zum Beispiel an Platz 61. Und Pearl Jam's Ten hätte ich als zehntes Album hören müssen. Aber naja, das sollte nichts an meiner Einschätzung ändern ;)

Release: 27. August 1991
Genre: Grunge
Dauer: 53:20

Erwartungen
Ich bin doch ein wenig überrascht, dass ich mit Pearl Jam bisher keinerlei Berührungspunkte hatte. Ist ja nun nicht so, dass ich mit Grunge so gar nichts anfangen könnte, denn mit Nirvana beispielsweise habe ich mich schon vor längerer Zeit angefreundet (weshalb Nevermind, das als eines der besten Alben der 90er angesehen wird, hier auch nicht auftaucht). Bei Pearl Jam aber, da springe ich komplett ins Blaue. Ist es schlimm, dass mich diese Redewendung jetzt auch ans Nevermind-Albumcover denken lässt?

Eindrücke
Erster Schritt: Nirvana-Vergleiche bitte stecken lassen. Zweiter Schritt: Licht aus und Musik an, denn ich vermute, dass man dieses Album genau auf diese Art und Weise hören sollte. Dritter Schritt: Begeistert sein. Ein Durchgang hat gereicht, dann ging es mir durch Mark und Glieder. Die Tränen kamen einfach. Und nun stehe ich da, begeistert, berührt, vor allem aber völlig perplex. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Als allererstes muss ich den Gitarrensound preisen, der sich durchgängig unfassbar belebend anfühlt, belebend mit einer teuflisch-düsteren Note. Gute Beispiele sind die Riffs in Even Flow, in Porch oder auch Deep. Es wird Chaos kreiert, doch Sänger Eddie Vedder fügt das Durcheinander mit seiner unfassbaren Coolness wieder zusammen. Echt, es ist unmenschlich, wie gut seine Stimme und die Musik harmonieren, vor allem dann, wenn sie selbst voller Sound steckt, wie etwa in Alive, das für mich wohl DER wichtigste Track auf Ten ist. Aber an überragenden Momenten mangelt es wirklich nicht. Das letzte Drittel auf Black etwa, das zog mich mit seiner hypnotischen Kraft vollständig in seinen Bann. Oceans und der Album-Closer Release bestechen durch ihre abwartende Haltung, die einem das Gefühl gibt, dass das Leben noch so viel mehr für einen parat hält.
Ten ist also keinesfalls so rock-stumpf und lebensverneinend, wie man es dem Grunge gerne mal unterstellt, wenngleich es sich doch natürlich um dunkle Themen wie Depressionen und Suizidgedanken, bis hin zu morbiden Fantasien,  dreht.

Fazit
Aus dem Nichts. Aus dem völligen Nichts kommt da dieses Album und haut mich komplett um. Songs wie Even Flow und Alive dürften auch außerhalb von Ten unfassbaren Replay-Faktor, doch eigentlich ist die Platte unbedingt an einem Stück zu hören. Es ist eine Reise, ein Trip ins Innerste der eigenen düsteren Gedanken, aber, und das macht dieses Album für mich so zugänglich, auch wieder heraus. Ich habe wirklich nicht das geringste zu kritisieren und ja, kann tatsächlich behaupten, dass das hier eines der besten Alben ist, die ich je gehört habe.