Sambamärchen. In den
Achtelfinals setzen sich alle Gruppensieger durch – doch bei kaum
einem läuft es wirklich rund.
Was waren denn das bitte
für megaspannende Spiele?! Bereits im Achtelfinale bekommt die
Fußballwelt die dramatischsten Seiten zu sehen, die solche
KO-Spielen mit sich bringen können: Späte Tore, Geistesblitze, fünf
mal Verlängerung und davon ging's zwei mal ins Elfmeterschießen.
Boah!
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Pinilla an die Latte ... Brasilien kurz vorm K.O. |
Die Runde der letzten 16
begann ja schon mit einem Paukenschlag: Brasiliens Auftritt gegen
Chile wurde ein intensives, emotionales und am Ende hochexplosives
Duell. Der Gastgeber schrammte haarscharf an der nationalen
Katastrophe vorbei, weil die Chilenen ebenbürtig waren. Mindestens.
Doch der Gott im Himmel schien echt alles daran zu setzen, Brasilien
nicht schon so früh aus ihrem Turnier zu werfen. Anders kann man es
nicht erklären, dass der letzte Schuss von Mauricio Pinilla in der
120. Minute nur den Weg an die Latte fand – und nicht ins Tor. Oder
als der letzte chilenische Schütze im Elfmeterschießen, Jara,
seinen Schuss punktgenau an den Innenpfosten setzte, der dem Ball
genau den Drall gab, sich um den Pfosten auf der anderen Seite zu
drehen.
Chile ist raus. Und damit
geht der wohl stärkste aller Geheimfavoriten. Die Gastgeber hingegen
wissen wohl selber nicht, woher sie ihr ganzes Glück eigentlich
nehmen …
Da muss ich doch glatt
mal Mehmet Scholl zitieren: Gänsehautentzündung!
Nächster Gegner wird
Kolumbien sein, das bisher wirklich das einzige Team dieser
Weltmeisterschaft ist, das in absolut jedem Spiel überzeugen konnte.
Und sie haben die Neuentdeckung der WM in ihren Reihen: James
Rodriguez. Spätestens mit seinem überragenden 1-0 Treffer gegen
Uruguay schoss er sich ins Gedächtnis der Fans, und weil es so schön
war, schnürte er gleich einen Doppelpack. Die Urus, auch wenn ohne
Luis Suarez, muss man erstmal derart souverän vom Platz fegen. Mit
den Kolumbianern gibt es also tatsächlich noch einen
Geheimfavoriten, der diesen Titel komplett zurecht verliehen bekommen
hat …
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Die unschöne Interpretation des fliegenden Holländers ... |
Alles andere als ein
Geheimfavorit sind die Holländer, die sich gegen Mexiko aber
schwerer taten als erwartet. In einer wahren Hitzeschlacht in
Fortaleza gingen die Lateinamerikaner kurz nach der Halbzeit in
Führung, und plötzlich schienen sich all die Klischees zu
bestätigen: Holland spielt 'ne überragende Vorrunde und fliegt dann
früh raus. Es hätte ja auch so schön zu dieser WM gepasst, wenn
schon wieder ein großes europäisches Team viel zu früh
rausgeflogen wäre. Hätte hätte Fahrradkette, die Welt könnte
heute viel anders aussehen, wenn die Mexikaner nach der Führung
weiter Fußball gespielt hätten. Taten sie aber nicht. Stattdessen
kam die Oranje zurück, überwand nach 87 Minuten den erneut
fantastischen Keeper Ochoa, um das Spiel dann komplett zu drehen. Den
Elfmeter in letzter Minute – Robben war mächtig abgehoben, noch so
ein Klischee … - verwandelte der von Van Gaal so oft verschmähte
Klaas-Jan-Huntelaar. 2-1. Schluss, Aus, Ende. Die Mexikaner
scheiterten zum sechsten (!) Mal in Folge an der Hürde Achtelfinale.
Da hilft auch kein Lamentieren vom supersympathischen mexikanischen
Trainer Miguel Herrera – der Strafstoß war berechtigt.
Costa Rica sorgte dann am
Abend für die nächste Sensation, wobei der Viertelfinaleinzug ihres
Gegners Griechenland mit dem gleichen Substantiv belegt werden hätte
können. Krass ist aber in der Tat, wie dieser Sieg zustande kam. Der
Führung von Bryan Ruiz folgte bald eine gelb-rote Karte. Unterzahl.
Fast 'ne halbe Stunde! Die Ticos kämpften mit viel Herz, doch es
half nichts: Sokratis erzielte in der letzten Minute den Ausgleich.
Verlängerung. Viele Team wären jetzt zusammengefallen, vor allem
mit nur zehn Mann – nicht so die Costaricaner. Mit viel Glück und
einen überragenden Torwart namens Keylor Navas retteten sie sich ins
Elfmeterschießen, wo die eigentlich völlig kaputten Spieler ihre
Strafstöße allesamt verwandelten. Weil dort der besagte Navas auch
noch einen griechischen Schuss grandios parieren konnte, ist Costa
Rica jetzt tatsächlich unter den besten Acht.
Nächster Gegner:
Holland. Wenn uns diese WM eins gezeigt hat, dann dass definitiv
nichts unmöglich ist ...
Im Spiel Frankreich gegen
Nigeria wurde unser möglicher Viertelfinalgegner gesucht und, klar,
war Les Bleus der Favorit. Doch das scheint in diesen Tagen eher zu
hemmen, als das es beflügeln kann. Zumindest war das Spiel der
Franzosen weitesgehend ideenlos, während Nigeria sehr stark agierte.
Erst in der Schlussphase entschied sich dieses ausgeglichene Spiel,
weil Paul Pogba endlich zeigte, warum er als das größte Talent
unseres Nachbarlandes gilt. Angst muss man vor dieser Mannschaft
allerdings nicht haben – Ähnliches wird man zwischen der Bretagne
und der Cote d'Azure aber auch über uns Deutsche sagen, siehe
Algerien …
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Im Netz: Di Marias 1:0 lässt Schweiz verzweifeln |
Der letzte Tag der
Achtelfinals wurde gleichzeitig zum Tag der Verlängerungen. Zunächst
schleppten sich die Argentinier gegen den Außenseiter Schweiz durch
90 zähe Minuten, in denen die Eidgenossen sogar die besseren Chancen
hatten. Generell machten unsere Nachbarn ein großartiges Spiel,
perfekt eingestellt von Ottmar Hitzfeld fehlte lediglich das Tor zur
ganz, ganz großen Überraschung. Es sollte nicht fallen. Es ist so
bitter, dass den Argentiniern dann genau ein Fehler reichte, um das
Spiel an sich zureißen. In der 118. Minute verlor Juves
Lichtsteiner, bis dahin nahezu großartig, einen Ball im Mittelfeld,
den Lionel Messi dann nach starkem Sprint zu Angel di Maria
durchbrachte, der wiederum nur einschieben musste. Doch das war es
noch nicht: Quasi im Gegenzug kamen die Schweizer in Form von
Dzemaili aus drei Metern zu einem Kopfball, der jedoch nur an den
Pfosten prallte, und vom Knie des völlig überraschten Schützen
knapp vorbeirollte. Wie schon Brasilien hilft den Argentiniern das
Aluminium, seit neuestem auch bekannt der »Pfosten Gottes«. Ottmar
Hitzfelds Karriere geht damit spektakulär zu Ende. Schade für diese
sympathischen Schweizer, die Überraschung lag in der Luft!
Schafft es die behäbige
Albiceleste, sich trotzdem ins Halbfinale zu mogeln? Belgien wird
etwas dagegen haben, und ihr Spiel gegen die USA nährte zumindest
die Hoffnung, dass die Südamerikaner wieder im Viertelfinale
scheitern. Endlich zeigte der Geheimfavorit mal, wozu er fähig ist.
Nur wollte dieses verflixte Tor nicht fallen, weil – auch das ist
ein Trend dieser WM – in Person von Tim Howard wieder mal ein
fantastischer Keeper im Weg stand. So benötigten die »roten Teufel«
eine Verlängerung für ihre zwei Tore, doch auch hier begann das
ganze Drama erst ganz spät: Mit dem Anpfiff der zweiten Halbzeit der
Verlängerung brachte der grad eingewechselte Julian Green den Ball
ins Netz der Belgier. Ein wahrer Sturmlauf begann. Die Amis warfen
noch mal alles nach vorne und drängten Belgien an die Wand. Fast
hätten die Amerikaner diesem phänomenalen Schlussspurt noch die
Krone aufgesetzt, doch es sollte nicht sein. Klinsmann ist raus.
Es ist lange her, dass
eine WM so dermaßen ausgeglichen war. Im Achtelfinale gab es im
Prinzip nur ein, vielleicht auch zwei Spiele, die keine
verrückteWendung parat hatten. Was will der Fußballfan mehr?
Nichts spricht dafür,
dass es im Viertelfinale weniger Dramatik gibt … und das ist geil!