Music Timeline: FEBRUAR 2018

Die gesamte Music Timeline gibt es hier.

Selten hat ein einziges Genre einen Monat so dominiert, wie der Indie-Rock meinen Februar. Nach dem unterirdischen Januar brauchte es vielleicht die folgenden dreckig-ehrlichen Nummern, um einerseits mal all den Ärger rauszulassen und gleichzeitig die Vorfreude auf den Frühling zu schüren. Whatever, das hier sind meine Goldstücke der letzten Wochen:

Arctic Monkeys - 505
Jahr: 2007
Genre: Indie-Rock
Dies ist ein perfektes Beispiel dafür, dass ich in letzter Zeit zunehmend meine Schwäche für raue, hoch emotionale Rock-Nummer entdecke. Nach wie vor sind die Arctic Monkeys eine Band, mit der ich nicht so recht warmwerden will. Doch nach wie vor versuche ich es immer mal wieder. 505 erwischte mich im perfektesten aller Momente, bei 'nem abendlichen Spaziergang, bisschen down, bisschen genervt von allem. Das Orgel-Sample zu Beginn (dem Soundtrack des Italo-Westerns Zwei glorreiche Halunken entnommen) baut eine melancholische Grundstimmung auf, bevor Frontsänger Alex Turner in einem dramatischen Turn stimmlich mitten ins Herz trifft ("I crumble completely when you cry").

Black Foxxes - I'm Not Well
Jahr: 2016
Genre: Alternative Rock, Post-Punk
In die selbe, vielleicht aber sogar in eine noch emotionalere Kerbe schlägt I'm Not Well, ein Song, zu den man sich die Seele aus dem Leibe schreien mag, selbst wenn es einem gar nicht so schlecht geht.  Mich erinnert die Stimme des Frontsängers in den ruhigen Momenten verdammt an Bono und in den rockigen überschlägt sie sich in so unwiderstehlicher Art und Weise, dass Gänsehaut garantiert ist.

Exit ft. Locals Only - Cliché
Jahr: 2017
Genre: Pop-Punk
Dass Exit noch nicht berühmt sind und dieser Song auf YouTube gerade mal 1000 Views hat, ist ein ganz, ganz großes Verbrechen. Von langsamen Acoustic-Nummern, emotionalen Emo-Anleihen, bis hin zum sonnigsten 2000er-Pop-Punk können sie alles bespielen. Cliché gehört in die letzte Kategorie und hat die persönlich echt miese Phase im Januar fast im Alleingang beendet. So steht der Song für einen Neuanfang, für eine großartige Zukunft, für den Spaß am Leben, für Vorfreude auf den Frühling. Also: Einfach nur zurücklehnen und genießen.

Brian Fallon - Forget Me Not
Jahr: 2017
Genre: Indie-Rock
Das nennt man wohl Liebe auf dem zweiten Blick. Beim Single-Release im Oktober irgendwie übergangen, schloss ich Forget Me Not als besten Track des neuen Albums plötzlich ins Herz. Die Indie-Rock-Nummer, die einen unweigerlich an Fallons frühere Band The Gastlight Anthem erinnert, strahlt unbändige Lebensfreude aus und besitzt einen fantastischen Mitsing-Appeal. Ein Song, den man sich nicht entziehen kann - und auch nicht will.

Frank Turner - 1933
Jahr: 2018
Genre: Indie-Rock
Bleiben wir doch gleich mal bei unverstellten Singer-Songwriter-Nummern. Fast alle Gedanken, die man zum weltumspannenden Postfaktizismus der 2010er haben könnte, sammelt Frank Turner in seinem wütenden 1933 und liefert einen der besten politischen Tracks des Jahres bisher. Klar, man mag bei historischen Vergleichen immer ein bisschen mit den Augen rollen, doch nur wenige Künstler haben das gegenwärtige Gefühl der Machtlosigkeit besser in Worte verpackt ("The world outside is burning with a brand new light, but it isn't one that makes me feel warm. Don't go mistaking your house burning down for the dawn"). Gänsehaut!

The Front Bottoms - Everyone But You
Jahr: 2017
Genre: Indie-Rock, Alternative
Mit dem Release ihres aktuellsten Werkes Going Grey im Oktober des vergangenen Jahres bin ich erst richtig auf The Front Bottoms aufmerksam geworden. Vor wenigen Tagen konnte ich sie live  in Berlin sehen und war echt begeistert. Dies, und die Tatsache, dass der Song nun auch ein Musikvideo bekommen hat, machte Everyone But You zu einem unverzichtbaren Ohrwurm im Februar und treuen Begleiter. Ein simpler, aber verdammt effektiver Liebessong, schwermütig und doch lockerleicht zugleich.

The Wombats - Dip You in Honey
Jahr: 2018
Genre: Indie-Rock
Irgendwie fehlen auf der neuen Wombats-Platte die Highlight. Nicht falsch verstehen, ich mag Beautiful People Will Ruin Your Life echt dolle, der Sound im Ganzen ist klasse, doch müsste ich die prägenden Songs benennen, wird es - abgesehen von Cheetah Tongue, das ich bereits im Januar vorgestellt habe - dünn. Am Ende hab ich mich hier für Dip You in Honey entschieden - mit seinen herzerwärmenden Gitarren und dem nerdig-charmanten Chorus ist es mir bisher am stärksten hängengeblieben.

Diplo ft. DRAM - Look Back
Jahr: 2018
Genre: Electro, Soul, R'n'B
Dieser Song hat mich stückweise um den Finger gewickelt. Erst war es die traumhafte Soul-Stimme von DRAM und der einprägsame Chorus, der meine Aufmerksamkeit bekam, inzwischen kickt mich aber auch Diplos, musikalische Basis emotional völlig aus der Bahn. Einmal drauf eingelassen, erkennt man in Look Back so viele tolle Facetten - es ist geradezu kolossal, aber auch vollends laid-back, voller Melancholie, aber 100% lebensbejahend. Bitte lass es ein Hit werden.

Millie Turner - The Shadow
Jahr: 2018
Genre: Electro-Pop
Zwar hat Millie Turner gerade mal vier Songs veröffentlicht, doch ihren Namen sollte man sich trotzdem schon mal merken. Der Electro-Pop-Mix der jungen Britin hat einfach was, ist ungemein catchy und zuckersüß zugleich. Ihr vorletztes Release, The Shadow, lebt von einer selbstbewussten Psychadelic-House-Baseline, ausgestattet mit einer Prise von Millies Awkwardness, was in Kombination eigentlich nicht funktionieren kann, es aber doch so verdammt gut tut. Ich feiere es!

HALL OF FAME: Linkin Park - Minutes to Midnight (2007)

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Minutes to Midnght von Linkin Park
Release: 11. Mai 2007
Genre: Alternative Rock, Nu Metal

Als Linkin-Park-Sänger Chester Bennington im vergangenen Sommer tragisch verstarb, wurde unfassbar vielen Leuten aus meinem Umfeld - mich eingeschlossen - bewusst, dass er unsere Kindheit und Jugend geprägt oder wenigstens eine gewisse Zeit lang sehr intensiv begleitet hat. Vor allem wurden da ihre ersten beiden Werke Hybrid Theory und Meteora genannt, die ohne Frage echt gut sind ... doch ... mich haben sie nicht so gefesselt, wie dieses eine andere Album. So doof es klingt: Ich hatte damals manchmal das Gefühl, mich verteidigen zu müssen, weil ich auf die Frage nach meinem Favoriten von Linkin Park nur eine unpopuläre Antwort geben konnte. Sie lautete: Minutes to Midnight.

Ich kann das erklären: Dies ist das erste Album, das ich mir selbst gekauft habe, von daher wird es mir immer irgendwie besonders verbunden sein. Doch auch darüber hinaus ist Minutes to Midnight in so vielen Belangen maßlos unterschätzt.

Die größte Kritik an dem Album bezieht sich auf den Stilwechsel. Dem rauen Nu Metal wurde abgeschworen, stattdessen findet sich auf dem Album vieles zwischen Pop-Rock und Hip-Hop, bis hin zum spirituellen Gospel-Sound. Das war ein Bruch, natürlich gefiel das nicht jedem. Mich als Linkin-Park-Novizen hat es damals absolut geflasht. Bis heute.

Zudem ist's ja nun wirklich nicht so, dass die "klassischen", rockigen Tracks komplett ausgespart wurden. Die Baseline und die Screams in Given Up etwa, gehören für mich bis heute zu den aufregendsten Dingen, die Linkin Park je erschaffen haben, während Bleed It Out ein echter Go-For-It-Track ist, der mich mit seinem Mix aus Rap, starken Gitarren und - einmal mehr - einem lauten Chester bis heute nicht loslässt. Das sind nur zwei Beispiele. Sie funktionieren im Kontext des Albums aber gerade deshalb so gut, weil diese krassen Momente rar gesät sind, weil man nicht ständig in diesem In-die-Fresse-Modus ist; ihnen folgen jeweils die Pop-lastigen Balladen Leave Out All the Rest und Shadow of the Day, wobei gerade letztere Single mich als akustischer Hoffnungsschimmer jedes Mal mitten im Herz trifft und mir schon durch einige Tiefs geholfen hat. Es ist der Wandel zwischen Wut und Hoffnung, der mir an Minutes to Midnight so gefällt.

Dabei habe ich die zwei emotionalsten und ergreifendsten Tracks noch gar nicht erwähnt: Valentine's Day ist eine melancholische Ballade, auf der Chester mit brechender Stimme davon singt, einen geliebten Menschen zu vermissen. Doch ist es natürlich vor allem der "Drop", der völlige Rock-Ausbruch, der absolut unter die Haut geht und den Song so fantastisch macht. Richtig episch ist der Closing-Tracks des Albums, The Little Things Give You Away. Er beginnt als seichte, aber spürbar wütende Nummer (man sollte vielleicht den politischen Hintergrund - George W. Bushs ungenügendes Krisenmanagement nach Hurrikan Katrina 2005 - kennen), die man verdammt gut mitsingen kann, und arbeitet sich dann schrittweise in ganz neue träumerische Sphären vor, aus denen man nie mehr verschwinden möchte. Kann man nicht beschreiben, muss man gehört haben.

Also nein, ich werde meine Meinung in diesem Leben nicht mehr ändern: Minutes to Midnight ist mein Lieblingsalbum von Linkin Park. Fight Me.

Persönliche Favoriten: Given Up, The Little Things Give You Away, Valentines Day, Bleed It Out, Shadow of the Day
Persönliche Lowlights: In Between
Album-Score: 8,0

HALL OF FAME: The Killers - Hot Fuss (2004)

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Hot Fuss von The Killers
Release: 7. Juni 2004
Genre: Indie-Rock, New Wave

Mein älterer Bruder hat sich nicht viele Alben gekauft und ließ mir daher auch nicht allzu viel zurück, als er für sein Studium auszog. Ein Lenny Kravitz-Best-Of war darunter, irgendwas von Guns'N'Roses, vielleicht noch Katie Melua? Ist auch nicht so wichtig, denn letztlich blieb nur eine Entdeckung aus dieser Sammlung wirklich hängen. Diese hier.
Es war 2009, glaube ich, auf jeden Fall waren The Killers damals ziemlich dick im Geschäft mit Human, ein Lied, das ich mit ganzem Herzen ... hasse. Ich habe es damals vielleicht noch nicht so sehr gehasst, aber nach dem ersten Durchlauf von Hot Fuss war nichts mehr wie zuvor. Das Album hat mich umgehauen und die komplette Punk-Rock-Dominanz meines Musikgeschmacks beendet. Zudem war es das erste Album, das ich ganz für mich alleine entdeckt habe. Ein dickes Brett also. Was zur Hölle macht es so großartig?

Nun, der erste Grund steht schon in der Trackliste: Dank Mr. Brightside ist es quasi sicher, dass dieses Album nicht so schnell aus meinem Bewusstsein verschwindet, handelt es sich doch um einen der unerwarteten Hits der 2000er, die erst mit den Jahren die Anerkennung finden, die sie verdient haben; im letzten Jahr stand der Song sogar in den britischen Jahresendcharts.

Grundsätzlich ist Hot Fuss kaum zu beschreiben ohne auch einen Blick auf Frontsänger Brandon Flowers zu werfen. Nicht nur sind seine Vocals auf dem ganzen Album on point, nein, sein ganzes Dasein bringt den gewissen Glam-Faktor mit, den Vegas-Spirit, wenn ihr versteht was ich meine. Man wird nicht das Gefühl los, dass man an einer riesengroßen Show teilnimmt, ein Event an sich. Ein Schauspiel, ein buntes Spektakel. Daher sind es auch die pompösen Momente, die das Album in höhere Sphären heben. Songs, die sich in ihrer Coolness voll entfalten müssen und dann voll aufs Ganze gehen. Andy You're A Star, Glamorous Indie Rock & Roll und das fantastische, weihnachtliche Everything Will Be Alright sind dort zu nennen, doch wahrlich verliebt bin ich in All These Things That I've Done. Fünf Minuten, in denen ein erinnernswertes Gitarren-Riff, ein rotziger Refrain und eine gottverdammte Chor-Einlage allesamt dieses unbeschreibliche Gefühl von Freiheit auszulösen vermögen. Ganz, ganz großes Kino.

Manchmal geht dieser Hang zur Melodramatik und der Experimentierfreudigkeit auch in die Hose. Ich persönlich kann mit Believe Me Natalie oder On Top nicht ganz so viel anfangen, aber das sind Schönheitsfehler, die den Gesamteindruck nicht weiter schmälern.

So temporeich und euphorisch wie auf Mr. Brightside wird es auf Hot Fuss nicht nochmal. Somebody Told Me und Smile Like You Mean It versuchen es, doch ihre Stärke nehmen sie viel eher aus den Synthesizer-Elementen, die das ganze Album durchziehen und den New Wave der 80er wieder aufleben lassen. Auch Jenny Was A Friend Of Mine ist hier zu nennen, doch mit dem Lied verbinde ich weit mehr als ein gutes Hörerlebnis. Die musikalische Untermalung dieses Songs ist so vielseitig und der Tempowechsel im Refrain etwas, was ich so zuvor nur ganz selten gehört habe. Das Lied wurde kurz nach dem ersten Hören zu meiner Hymne, begleitete mich durch Liebeskummer und durch eine Phase, in der ich immer tiefer in die Indie-Szene einstieg und mich - damals nannte man das noch nicht Hipster - vom Mainstream abwandte.

Hot Fuss hat mir Mut gemacht, anders zu sein, auch musikalisch. Nur eines schaffte das Album nicht: The Killers zu meiner Lieblingsband zu machen. Nein, bis heute bleibt es für mich das einzige wirkliche Highlight ihrer Diskographie. Aber das ist okay.

Persönliche Favoriten: All These Things That I've Done, Jenny Was A Friend of Mine, Mr. Brightside, Smile Like You Mean It, Glamorous Indie Rock & Roll
Persönliche Lowlights: Believe Me Natalie
Album-Score: 8,0