LBNL-Charts: Februar II (2019)

Die Wintermonate sind vorüber. Nach zwei sehr turbulenten Ausgaben geht es zumindest bei den Neueinsteigern ein kleines bisschen ruhiger zu. 
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Neueinsteiger

2016 / Pop
Maggie Rogers macht ihr eigenes Ding, das hat auch Pharrell Williams einst schon erkannt. Sie verbindet naturelle Klänge mit Tanzbarkeit und hat ein unfassbares Gespür für hochemotionale Hooks. Ihr Debüt-Album ist wunderschön geworden, doch Alaska, ihre erste Single von vor fast drei Jahren, ist und bleibt der alles überragende Track. Allein der Pre-Chorus ist ein Genuss. Gänsehaut!

2018 / Indie-Pop
Obwohl schon im Dezember veröffentlicht, habe ich doch noch bis bis zum Release des Schwesteralbums Vernissage My Heart gewartet, bevor ich auch mea culpa in Angriff nahm. Ich fand es okay, doch dieser eine Song überstrahlte mit seiner bloßen Coolness, seinem Gitarrenriff zum Verlieben und den Vocals von Maurice Ernst einfach alles.

2019 / Indie-Pop
Obwohl Vernissage My Heart deutlich gitarrenlastiger als mea culpa ist, würde ich nicht unbedingt sagen, dass ich es besser finde. Die zweite Single Europa 22 wäre aber ein starkes Argument dafür. Selbst ohne die viel beachtete Promo-Aktion stellt der Song ein geniales Statement dar, ein idealistisches Plädoyer für den europäischen Zusammenhalt, das Bilderbuch auf ihre ganz eigene charmante, austro-denglische Art und Weise rüberbringen. Kleines Gimmick: Die unverkennbaren Britpop-Anleihen wecken die Sehnsucht, dass die Briten sich das mit dem EU-Austritt vielleicht doch nochmal überlegen ...

2019 / Alternative
Es ist bereits der vierte SWMRS-Song, der es dieses Jahr in meine Top 20 schafft. Während April in Houston und Trashbag Baby sehr indie-lastig waren, offenbaren sie auf Lose Lose Lose ihre Punk-DNA. Und verdammt, geht das ab! Mit brachialer Selbstverständlichkeit schmeißen sie einen Refrain ("I lose, lose, lose my mind!") in die Welt, der einfach im Gehörgang hängen bleiben muss. Würde mich das darauffolgende Krächzen, bei dem ich zwangsläufig an Offspring's Pretty Fly denken muss, nicht so abtörnen, wäre es ein perfekter Song.

THUMPER - Down (Radio Edit)
2018 / Alternative
In die Kategorie "unbekannt" gehört dieser launige, perfekt konstruierte Rock-Track der irischen Band THUMPER. In ihm lebt, nicht zuletzt durch Psychadelic-Einflüsse, eine gewisse Paranoia auf, die sich immer mehr zu einem mächtigen Mittelfinger gegen toxischen Menschen in der Welt hochpunkt. Starkes Statement. Sollte man im Auge behalten. PS: Die 7-Minuten-Variante ist ebenfalls sehr geil.
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Top 20 (28. Februar 2019)

TitelKünstlerDebüt
1AlaskaMaggie RogersFebruar IINEU
2Someone GreatLCD SoundsystemJanuar IIRE
3With or WithoutTired LionDezember II(-2)
4I Get No JoyJade BirdFebruar I(+7)
5Love Has All Been Done BeforeJade BirdJanuar I(-1)
6ChlorineTwenty One PilotsJanuar I(-)
7HeroinBadflowerFebruar I(-5)
8breathinAriana GrandeJanuar IRE
9LonerYUNGBLUDJanuar II(-4)
10About HerGender RolesJanuar II(-3)
11Checkpoint (Nie Game Over)BilderbuchFebruar IINEU
12Europa 22BilderbuchFebruar IINEU
13Lose Lose LoseSWMRSFebruar IINEU
14Stuck to my mindMP The KidDezember II(+3)
15DownTHUMPERFebruar INEU
16HospitalizedBroodsFebruar I(-7)
17LongshotCatfish and the BottlemenJanuar II(-2)
18DustBroodsFebruar I(-10)
19AnimalBadflowerFebruar I(-9)
20Blame GameKanye West ft. John LegendJanuar II(-7)
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Kommentar

Die Neueinsteiger mögen die Liste dieses Mal nicht so sehr durcheinander gebracht haben, doch von einer unspektakulären Monatshälfte kann man nun auch nicht sprechen.
Zunächst gibt es in der sechsten (und damit letzten Winter-Ausgabe) der LBNL-Charts mit Alaska den fünften verschiedenen Nr. 1-Titel, der zweite Debütant noch dazu. Hat Maggie Rogers vielleicht das Potential, sich dauerhaft oben zu halten?
Könnte schwer werden, wenn man sieht, wie munter sich die Songs hier abwechseln. Beispiel: Mit breathin und vor allem Someone Great gibt es zwei auffällig hohe Wiedereinstiege. Manchmal braucht's nur die richtige Situation - in diesem Fall war es ein Sonnenuntergang während der ersten vorsichtig frühlingshaften Tagen des Jahres - und schon erhalten bestimme Songs einen mächtigen Schub. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch alte Bekannte gäbe. In die Kategorie "Dauerbrenner" gesellen sich neben With Or Without mit ihrer jeweils vierten Top 10-Platzierung in Folge nun auch Chlorine und Love Has All Been Done Before, auch Loner ist nach wie vor oben dabei, verliert aber erneut ein wenig das Momentum.
Von der großen Debüt-Welle der letzten Ausgabe sind doch noch einige Ausläufer übrig geblieben, wobei aber nur Jade Birds I Get Not Joy einen wirklichen Sprung macht und gute Chancen hat, bis zu Jades Album-Release im April weiterzuwirbeln. 

#14: Back In Black

Im kompletten Gegensatz zum seichten Bon Iver wollte ich wieder einen echten Kracher haben und was das angeht, gibt es in meiner Album-Liste wohl kaum etwas Besseres als AC/CD und Back In Black.

Release: 25. Juli 1980
Genre: Hard Rock
Dauer: 42:11

Erwartungen
Ein ... Feuerwerk. Mal wieder. Aber hey, im Falle von AC/DC kann man ruhig mit der Erwartung herangehen, komplett umgehauen zu werden. Und es ist ja nicht so, dass AC/DC komplett an mir vorbeigegangen wären: T.N.T.? Kennt man, klar. Highway To Hell? Natürlich, es ist eigentlich sogar eines meiner absoluten Lieblingslieder, genauso wie auch You Shook Me All Night Long - und das befindet sich sogar auf der Tracklist von Back In Black. Genauso wie auch Hells Bells, das ich spontan gerade aber nur vom Namen her kenne. Was ich sagen will: Ich weiß schon, was auf mich zukommt. Und verdammt, habe ich Bock drauf!

Eindrücke
Wie nennt man das, wenn man hohe Erwartungen hat, und die dann auch noch übertroffen werden? Jeder einzelne Track ist unglaublich feierbar. Zwischen all den epischen Gitarrenriffs, Brian Johnsons atemberaubender Stimme und den lächerlich mitreißenden Hooks gibt es eigentlich kaum etwas zu kritisieren. Es ist Arena-Rock vom Feinsten. Es ist genau das, was ich vor Augen habe, wenn ich an Hard Rock denke. - Wie langweilig.
Zugegeben, manchmal wirkt diese Musik auf mich ein bisschen cartoon-ish. Und ich glaube nicht mal, dass das nur an meiner Gegenwarts-Perspektive liegt. Die Band wusste damals schon ganz genau, dass ihre Musik das pure Entertainment für ein angeheitertes Publikum sein würde, da bin ich mir sicher. Es ist Musik zum Eskalieren. Immer auf Vollgas, immer zum Headbangen, 'ne Ode ans Leben, die besonders deshalb so stark geworden ist, weil es ihr erstes Album nach dem Ableben ihres Frontsängers Bon Scott war. Der Titeltrack zeigt das ganz gut, es ist eine Hommage an eben jenen Scott, erzählt aus seiner Perspektive, die eine "celebration" sein sollte - und holy moly, das ist es geworden. Die Texte sind voller überzeichneter Bilder, purer Arroganz und grenzenloser Maskulinität. Bestes Beispiel: Given the Dog a Bone, das recht ungeniert einen Blowjob beschreibt. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann ist es der stumpfe Sexismus auf Back In Black. Ich konnte es leider nicht vermeiden, dabei an besoffene alte Säcke zu denken, die von der "guten alten Zeiten" schwärmen. Na ja.
Andererseits lässt sich das alles auch ganz gut ausblenden, denn - wie gesagt - Back In Black schafft es durchgängig gute Unterhaltung zu liefern, ohne sich dabei selbst zu ernst zu nehmen. Mein Favorit bleibt nach wie vor You Shook Me All Night Long, doch irgendwie hat sich vor allem der Album-Closer Rock and Roll Ain't Noise Pollution aufgrund seines etwas heruntergefahrenen Tempos voll und ganz empfohlen. Nice.

Fazit
Ich liebe es. Back In Black ist so herrlich überzogen und dabei so unfassbar catchy, dass ich mich frage, wieso ich nicht früher auf den Trip gekommen bin. Neue Nummer 1 dieses Projekts. 

#13: Bon Iver

Wir feilen derzeit an der Hochzeits-Playlist für ein befreundetes Pärchen und einer ihrer Wünsche war, während der Mahlzeiten Musik wie die von Bon Iver zu hören. Und ich bin deswegen ein bisschen planlos, denn Bon Iver kenne ich nur vom Namen her. Da ich ihr zweites Studioalbum Bon Iver auf meiner Album-Liste habe, kann ich sogleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Release: 17. Juni 2011
Genre: Indie-Folk
Dauer: 39:25

Erwartungen
In diesem Fall sind meine Erwartungen recht einfach zusammenzufassen: Ich erwarte Ruuuuuuuuuuuuhe, ganz viel Seelenfrieden und musikalisch viel Acoustic, ausgestattet mit einer gewissen Ambitioniertheit (denn die braucht man, um - wie Bon Iver - mit Kanye West zusammenzuarbeiten). 

Eindrücke
Es ist so eines dieser Alben die kontinuierlich besser werden, je öfter man sie hört. Den ersten Durchgang habe ich gebraucht, um mich in die Musik einzuleben, denn Indie-Folk gehört zu den Genres, die ich so gut wie nie höre. Und ja, vielleicht fand ich das gerade am Anfang ein bisschen langweilig. Aber dann, dann irgendetwas geschah was Wunderbares: Ich wurde um den Finger gewickelt.
Manchmal ist das ja so, dass da plötzlich musikalisch Dinge auftauchen, die man vorher nicht wahrgenommen hat. Die Acoustic-Gitarren und der Kopfstimmengesang von Justin Vernon bilden auf nahezu allen Songs die Grundstruktur, doch einzigartig wird Bon Ivers Musik hier vor allem durch die verschiedenen Elemente, die dem angefügt werden: Saxophone und Hörner, dazwischen immer wieder Elektronisches. Was vorher einschläfernd wirkte, wird nun zur wohltuenden Hypnose.  Wie kaum ein Album zuvor regt Bon Iver vor allem die Fantasie des Hörers an. Mir gefällt das Konzept, die Songs bestimmten Orten zuzuordnen, denn Bon Iver fühlt sich auch ein bisschen wie eine Reise an. Immer involviert sind in meinen Gedanken abgelegene Bäche und Wälder, wie es das Cover ja auch vermittelt.
Und die Songs? Sind schwer hervorzuheben. Wahre Gänsehaut verursachen bei mir aber die aufeinanderfolgenden Michicant, das gemächlich und wunderschön dahinschaukelt, und Hennom, TX. Aber eigentlich gibt es in jedem Song mindestens einen Moment, der mir ins Herz geht. DAS ist echte Qualität.

Fazit
Bei Bon Iver habe ich zum ersten Mal wirklich das Gefühl, Kunst erlebt zu haben. Anfangs etwas belächelt, hat mich dieses Album Stück für Stück erfasst und Emotionen ausgelöst, die mir Musik, die ich normalerweise höre, meist nur auf schwermütigen Wegen vermitteln kann. Und doch bleibt Bon Iver dabei so leicht und beschwingt. Das macht das Album attraktiv für mehrmaliges Hören. 
Und das werde ich ganz sicher noch öfter tun. Danke dafür.

#12: Highway 61 Revisited

Es gibt im Laufe dieses Projektes so zahlreiche Phasen, in denen ich mich schämen möchte. Wenn ich als selbsternannter Musikliebhaber zugeben muss, dass ich nicht mehr als vier, fünf Bob Dylan-Songs nennen kann, dann ist das schon echt schwach. Hinzu kommt nun, dass Bob Dylan im April ein Konzert in Magdeburg spielen wird, das ich mit meinem Vater besuchen werde. Keine Frage also, dass ich mächtig etwas nachzuholen habe. Meine Reise beginnt mit Highway 61 Revisited.

Release: 30. August 1965
Genre: Folk Rock
Dauer: 51:26

Erwartungen
Nun, ein paar Erfahrungen mit Bob Dylan habe ich ja doch schon und weiß zumindest, dass ich aufgeweckten Folk-Rock erleben werde. Doch viel mehr sollte ich dieses Mal auf die Texte achten, denn die sollte man bei einem Literaturnobelpreis wohl besonders in den Vordergrund stellen.

Eindrücke
Lang ist's her, dass ich mich so intensiv mit  bluesigen Rock beschäftigt habe. Was ich als allererstes gedacht habe, war: Das ist so ... typisch 60s. Dylans rauchige Stimme, dazu noch das Road-Trip-Element des Albums, keine Ahnung, das löste in mir ein wohlig-warmes "Oldie"-Gefühl aus.Ausgesprochen häufig kommt hier die Mundharmonika zum Einsatz, was ich gar nicht mehr gewohnt  bin, weshalb mir das manchmal, naja, etwas zu viel vorkommt. Aber das sind Kleinigkeiten, denn obwohl die instrumentale Variablität doch eher eingeschränkt ist, wird es auf Highway 61 Revisited niemals eintönig. Like A Rolling Stone ist, das ist keine Überraschung, der eingängigste Track und nach wie vor  mein Lieblingssong von Bob Dylan. Tombstone Blues und der Titelsong Highway 61 Revisited fallen durch ihre Aufgewecktheit auf, wobei mir letzterer mit seinen "kindlichen" Elementen ein wenig fremd bleibt. Ein unerwartetes Highlight ist das schwermütige Ballad of a Thin Man. "Something is happening her, but you don't know what it is. Do you, Mr. Jones?", heißt es Refrain und das alles klingt verdammt genial und irgendwie bad-ass. Der Beweis, wie cool Poesie sein kann. Es ist so einer der Songs, in deren Texte man sich ewig einlesen kann, ohne zu einer finalen Interpretation zu gelangen. Allgemein macht es irre viel Laune, sich intensiv mit den Lyrics zu befassen, die mit vielen Details, Dialogen und den unterschiedlichsten Charakteren ein gelungenes Porträt der USA in den 60er Jahren darstellen. Schnippisch kommentiert Dylan - mal mehr, mal weniger direkt - die politische Kultur seiner Zeit. Diese rotzige Attitüde macht die Musik auch ungemein authentisch. Selbst wenn der Hörgenuss nicht durchgängig da ist, so sind die Erzählungen stets unterhaltsam und künstlerisch wertvoll. Glaube ich zumindest. Aber das ist bei einem  Literaturnobelpreisträger nun wahrlich kein "hot take".

Fazit
Wahrlich könnte man sich noch monatelang mit Highway 61 Revisited beschäftigen und doch zu keinem Finale kommen. Hier gibt es so viel zu entdecken, so viel Hintergrundgeschichten, so viele Interpretationsmöglichkeiten. Mein Einstieg in die Welt des Bob Dylan ist mir jedenfalls gut gelungen und ich möchte definitiv noch mehr hören, vor allem aber lesen. 

LBNL-Charts: Februar I

In der Valentinstags-Episode der LBNL-Charts debütiert ein bisschen Romantik, vor allem aber viel wuchtiger Indie-Rock. Und im Kampf um die Spitze lassen einige alte und neue Flammen mein Herz höher schlagen.
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Neueinsteiger

Badflower - Heroin
2018 / Alternative
Meine größte Neuentdeckung der letzten zwei Wochen waren ganz sicher Badflower, die mit ihrem düsteren Alternative-Rock. Heroin punktet mit einem hohen Maß an Emotionalität und einem Refrain, der mir so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen wird.
Badflower - Animal
2016 / Alternative
Animal schlägt in die selbe düstere Kerbe und es ist schwer, dem Killer-Refrain zu widerstehen. Der Song punktet aber auch durch eine gewisse Sexiness in den Vocals des Sängers Josh Katz.

Gender Roles - About Her
2018 / Indie-Rock
Ich mach es ganz kurz: About Her ist einer dieser blitzsauberen Indie-Rock-Nummern, die mich mit ihrer Direktheit mal ganz nebenbei umhauen. Die Hook allein ist göttlich: "Crush it up and put it in my drink. Let's go somewhere quiet und I'll tell you what I think about her." Dude!

Broods - Hospitalized
2019 / Electro-Pop
Broods kamen für mich völlig aus dem Nichts. Klar, Peach war schon toll, doch erst die stylische Vorab-Single Hospitalized machte mich richtig heiß auf ihr neues Album Don't Feed The Pop Monster - das ist dann zwar etwas emotionaler und zurückhaltender geworden, doch begeistert hat es mich trotzdem! Dass Hospitalized als sein launigster und tanzbarster Moment gleich noch einen neuen Schub bekam, war auch irgendwie klar. Quietschbunt, mutig und ein bisschen abgedreht - genau so soll Pop-Musik sein.
Broods - Dust
2019 / Electro-Pop
Dust repräsentiert die emotionale Seite des Albums und ging mir sofort unter die Haut. Der Bezug auf Alice in Wunderland ist buchstäblich zauberhaft und Georgias Gesang hat etwas unfassbar verletzliches. Und dann auch noch diese Gitarren - wunderschön.

Jade Bird - I Get No Joy
2019 / Indie-Rock
Ganz allmählich mausert sich diese junge Dame zur aufregendsten Künstlerin dieses Jahres. Auch I Get No Joy braucht keine aufwändigen Arrangements, denn Jade Bird vermag es, allein mit ihrer rauchigen Stimme mitzureißen. Und ganz nebenbei spricht sie Zu-viel-Denkern wie mir aus der Seele. Toller Song!

Kanye West ft. John Legend - Blame Game
Hip-Hip / 2010
Einer der bisher doch recht wenigen Songs, die durch mein 100-Alben-Projekt in mein Blickfeld gespült worden sind. Blame Game punktet als demütige Piano-Nummer mit kristallinem Sound durch sein bewegendes Storytelling, das vor allem durch John Legend's Parts getragen wird.

The Lottery Winners - That's Not Entertainment
2018 / Indie-Pop
Diese fidele Indie-Gruppe baut 'ne Brücke in die 90s und zum Britpop und lässt mit Kritik an der modernen Unterhaltungsindustrie aufhorchen. Die Gefahr, damit allzu vorschnell mit der Moralkeule zu schwingen, ist durchaus da, doch die Lottery Winners nehmen auf That's Not Entertainment weder sich selbst noch die Thematik allzu ernst, und genau deshalb funktioniert das. Liebste neue Wortschöpfung, by the way: "bubblegum-bullshit-contest".

Catfish and the Bottlemen - Longshot
2019 / Indie-Rock
Catfish sind eine Indie-Band, der ich deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, denn das, was ich von ihnen kenne, ist solide und geht nahezu immer ins Ohr - die neueste Single Longshot ist dabei keine Ausnahme; vor allem mag ich den Positivität des Songs, die im Chorus auf den Punkt gebracht wird: "Listen, the distance between us could’ve took a whileOnce we closed that difference, you'd turn up like a friend of mineEvery once in a while, the little things make me smile, as if one of our longshots paid off"

RAT BOY - FOLLOW YOUR HEART
2019 / Indie-Pop
Sein neues Album ist gut geworden, punkig und abgedreht, wie erwartet, doch auf Follow Your Heart zeigt RAT BOY eine andere Seite: Zurückhaltender Gesang, kurzweilig und leicht verträglich. Die Pop-Struktur wird mit tropischen Klängen und Trompeten angehaucht. Sympathischer Mix, der Spaß macht!
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Top 20 vom 14. Februar 2019

TitelKünstlerDebüt
1With or WithoutTired LionDezember II(+5)
2HeroinBadflowerFebruar INEU
3thank u, nextAriana GrandeNovember IIRE
4Love Has All Been Done BeforeJade BirdJanuar I(-2)
5LonerYUNGBLUDJanuar II(-4)
6ChlorineTwenty One PilotsJanuar I(-1)
7About HerGender RolesJanuar IINEU
8HospizalizedBroodsFebruar INEU
9DustBroodsFebruar INEU
10AnimalBadflowerFebruar INEU
11I Get No JoyJade BirdFebruar INEU
12come out and playbillie eilishDezember I(-9)
13Blame GameKanye West ft. John LegendJanuar IINEU
14That's Not EntertainmentThe Lottery WinnersFebruar INEU
15LongshotCatfish and the BottlemenJanuar IINEU
16New Way HomeFoo FightersDezember II(+1)
17Stuck To my MindMP the KidDezember II(-9)
18FOLLOW YOUR HEARTRAT BOYFebruar INEU
19Alone, TogetherThe StrokesJanuar I(-8)
20April in HoustonSWMRSDezember I(-7)
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Kommentar

Wieder haben wir eine neue Nummer 1: Loner kann den Hype des Debüts nicht komplett mitnehmen und rutscht auf Platz 5. Ersetzt wird YUNGBLUD durch With Or Without, dessen Konstanz sich irgendwann auszahlen musste und der mit dem neuesten Aufbäumen nun allerbeste Chancen, punktemäßig der Song des Winters zu werden.
Darüber hinaus mischen drei große B die Top 20 auf: Jade Bird etwa, die nun gleich doppelt vertreten ist, mit Love Has All Been Done Before aber trotzdem den freigewordenen Platz 1 verpasst. Dazu debütieren Broods und Badflower mit jeweils zwei Songs. Es gibt da oben also verdammt viel Bewegung, weshalb ich derzeit auch nicht glaube, dass sich da in den nächsten Wochen irgendwie eine festgefahrene Situation ergeben könnten. Wie fragil das alles ist, zeigt auch das Beispiel thank u, next: Die Single hatte ihre beste Phase eigentlich schon hinter sich, kann auf den letzten Metern ihres Drei-Monat-Runs aber noch einmal vom Albumrelease profitieren und eine fulminante Abschieds-Platzierung hinlegen - was soll ich sagen, ich liebe diesen Song einfach ...
Was es sonst noch so zu sagen gibt? Rein inhaltlich und atmosphärisch müsste come out and play eigentlich DER Favoriten auf den Song des Winters sein, doch gegen die mitreißende Konkurrenz hat es so ein bedächtiger, zurückhaltender Song doch unfassbar schwer und verliert wertvolle Punkte.

Mit zehn Neueinsteigern und einem Wiedereinstieg hat diese Liste den Rekord des Vorgängers gleich überboten. Da ich das alles hier noch nicht so lange mache, kann ich nicht sagen, ob diese Werte wirklich so außergewöhnlich sind. Dazu aber mehr im ersten Season-Special, das zeitgleich oder kurz nach der nächsten Ausgabe der LBNL-Charts erscheinen wird. Ich freue mich drauf!

#11: Achtung Baby

Der deutsche Name hat mich schon einige Wochen lang angestarrt. Dann auch noch der Titel des Album-Openers: Zoo Station. Ist es das, was ich denke? Ich las mich etwas in die Backstory ein und da wusste ich, dass die Neugier gesiegt hatte. U2's Achtung Baby entstand teilweise nämlich im gerade erst wiedervereinten Berlin.

Release: 18. November 1991
Genre: Rock
Dauer: 55:27

Erwartungen
U2 also. Man meint, so vieles von ihnen zu kennen, doch genau genommen sind es dann doch nur ihre Singles, vor allem von All That You Can Leave Behind und The Joshua Tree (das in seiner Gänze auch noch Teil dieses Projektes sein wird). Bis auf One kenne ich von Achtung Baby aber absolut nichts. Und One, das hab ich immer irgendwie auch als eine Mauerfall-Hymne empfunden, was ja im Entsehungskontext nicht die falscheste Annahme ist. Bekommen wir thematisch noch mehr dazu? Und musikalisch? Schwer einzuschätzen. Mit U2 verbinde ich an sich eher melancholische und überdramatische Rock-Musik mit Hang zum Experimentellen, Musik einfach, die sich epochal und bedeutsam anfühlt. Songs wie One.

Eindrücke
Zoo Station gibt ganz klar die Richtung vor und die lautet: Vergiss, was du bisher mit U2 verbunden hast. Sein Industrial-Sound kommt völlig unerwartet und zieht sich vor allem in Form schwerer und verzerrter Gitarren durch das ganze Album. Das irritiert anfangs vielleicht etwas. Und dann kickt es einen. Gewaltig.
In seiner emotionalen Intensität ist es sicherlich ein typisches U2-Album. Es lebt von euphorischen Höhen und verzweifelte Tiefen, die aber, finde ich, stets ganz nah beieinander liegen, weshalb man sich in diesen Belangen kaum Liedbeispiele auswählen kann. Lyrisch dreht sich fast alles um die Liebe, den Hürden in einer Beziehungen, dem Drama. Und um ausgebrochene Zootiere, im übertragenen Sinne, denn mit Zoo Station greift Bono eine Berliner Nachkriegsgeschichte auf und verwendet sie geschickt als Metapher für den musikalischen Wandel der Band. Meine Lieblingstracks sind aber andere. Even Better Than The Real Thing und Mysterious Ways machen wahnsinnig Laune, während So Cruel einem das Herz zerreißt. Und dann gibt es da noch Who's Gonna Run Your Wild Horses und Tryin' To Throw Your Arms Around The World, die wohl am ehesten dem klassischen U2-Sound entsprechen, sich aber astrein in Grundkorsett von Achtung Baby einfügen und als angenehm demütige Tracks einfach hervorstechen. Auch One ist typisch U2, aber - und das fand ich sehr interessant zu beobachten - fühlte sich hier irgendwie deplatziert an.
Das Ende des Albums bringt die düstere Grundhaltung des Albums dann endgültig auf dem Punkt, was sicherlich irgendwo konsequent ist, mich als Hörer aber doch etwas abgeschreckt hat. Ich habe mich öfter dabei erwischt, dass ich nach Tryin' To Throw ... stoppen wollte, weil ich wusste, dass meine Laune jetzt heruntergezogen werden würde. Ich weiß, das ist ziemlich unsachlich, aber das habe ich nun mal so empfunden. Spricht aber auch für das Album, da es doch zeigt, dass es mich gepackt hat.

Fazit
Wie man sieht, hatte ich viel zu erzählen. Achtung Baby hat mich mehrere Tage lang beschäftigt und sogar das zweite für diese Kalenderwoche eingeplante Album nach hinten geschoben.
Es ist die bisher beste Platte, die ich Rahmen des 100-Alben-Projektes gehört habe. Sicherlich hat es seine Schwächen, doch die werden mich nicht davon abhalten, zurückzukehren. Dazu enthält es einfach zu viele Highlights, die es auf Anhieb in die Reihe meiner liebsten U2-Tracks geschafft haben, so viele Momente, die hängen geblieben sind. DAS hier ist der Grund, weshalb ich das alles überhaupt mache.

#10: Up The Bracket

Und damit kommen wir zur dritten Indie-Band der frühen 2000er, die ich gefühlt kenne, genau genommen aber dann doch nicht. Ich kann, und das ist ziemlich traurig, auf Anhieb keinen Libertines-Track nennen. Up The Bracket soll das sofort ändern.

Release: 14. Oktober 2002
Genre: Indie-Rock
Dauer: 36:33

Erwartungen
Ich denke, ich werde mich bei den Libertines so ungefähr an den Sound der Strokes erinnert fühlen. Cleverer Indie-Rock, vielleicht ein wenig "heller" als bei anderen? Keine Ahnung, irgendwie habe ich bei den Libertines so ein fröhliches Bild im Kopf.

Eindrücke
So falsch lag ich mit meinen Erwartungen nicht. The Libertines lassen mit ihrer Attitüde die Füße zucken und bringen tatsächlich die indie-mäßige Hibbeligkeit mit, die ich bei The Strokes' Is This It so ein bisschen vermisst hatte. Das Problem ist aber: Nichts davon bleibt im Kopf. Und wenn man nach drei Durchläufen eines solchen Unruhe-Albums einfach keine Momente findet, die einen immer wieder hineinziehen, dann kann es auch schnell nerven. Und genau das ist mir mit Up The Bracket passiert.
Nicht falsch verstehen: Es gibt wirklich gute Momente. Der Album-Opener Vertigo etwa, die Mittelsektion um Radio America (der in seiner Zurückgenommenheit eine willkommene Atempause darstellt) und den Titeltrack Up The Bracket, sowie die beiden letzten Songsdoch während mit bei den Strokes eher etwas fehlte, ist mit bei diesem Album insgesamt irgendwas "zu viel". Klingen mir die Gitarren zu rau? Sind mir die Texte zu kryptisch und der Inhalt deshalb nicht so nachvollziehbar? Kann ich mit so schillernden Persönlichkeiten wie Pete Doherty nicht umgehen? Es ist ein Mix aus allem.

Fazit
Up The Bracket ist so ein Album, bei dem ich meine Ablehnung nicht ganz erklären kann. Ich habe mir einiges von den Libertines erhofft, doch der Funke wollte nicht überspringen, im Gegenteil,: Ich war meist irgendwo froh, wenn die halbe Stunde vorbei war, und irgendwie habe ich nicht wirklich das Bedürfnis, sie weiter für mich zu entdecken. Ich kann schon verstehen, dass die ohne Frage tanzbaren Tracks viele Fans haben, doch für mich war das alles irgendwie nichts. Vielleicht werde ich meine Meinung noch ändern, aber dazu brauche ich tatsächlich erstmal ein wenig Abstand.

#9: Who's Next?

Ich hab Bock auf Rock'n'Roll. Beim Blick in die 60er und 70er werde ich mehrmals sehr neugierig. Am Ende gewinnt das Album mit dem bekannten und von mir geliebten Album-Opener Baba O'Reily. Es gewinnt The Who mit Who's Next.


Release: 14. August 1971
Genre: Hard Rock
Dauer: 43:38

Erwartungen
Ich muss beschämt eingestehen, dass meine Kenntnisse zu The Who doch arg eingeschränkt sind. Genau genommen, gilt das für viele Hard-Rock-Bands der 70er wie etwa, sagen wir, Led Zeppelin oder auch Deep Purple. Trotzdem erwarte ich irgendwie verdammt viel ... ein Feuerwerk nämlich, wie es Baba O'Reily zu versprechen scheint. Gute Laune eben, Gitarrenriffs zum Dahinschmelzen. Schauen wir mal.

Eindrücke
Baba O'Reily ist einfach einer der geilsten Album-Opener ever, ganz sicher das beste Intro all jener Alben, die mir im Rahmen dieses 100-Alben-Projekts bisher untergekommen sind. Der Mix aus Synthesizer- und klassischen Rock'n'Roll-Elementen schafft einfach das Gefühl, Zeuge von etwas Großartigem zu sein. Kann der Rest von Who's Next diesem Intro gerecht werden?
Ich würde sagen: Ja. Der zweite Song, Bargain, greift das Over-the-Top-Gefühl auf seine ganz eigene Art und Weise auf und spielt sich vor allem mit dem euphorischen Ausruf "the best I ever haaaaad" ins Gedächtnis. Auch andere Momente auf dem Album, ich denke da an The Song Is Over oder Won't Get Fooled Again (sollte man eigentlich kennen, aber ... naja), schlagen in die selbe Kerbe, allerdings meiner Meinung nach nicht ganz so überzeugend. Generell habe ich erstaunlich viel Gefallen an den Liedern gefunden, die sich eher zurücknehmen. Love Ain't For Keeping fängt in seinen zwei Monaten allein mit seiner Attitüde dieses fantastische Gefühl ein, an einem Sommertag im Gras zu liegen und das Leben zu genießen - toller Song! My Wife hat hingegen etwas Blues-Artiges, und wird mit seinen Bläser-Elementen schnell zu einem Ohrwurm.
Wenn man sich mit Who's Next auseinandersetzt, dann wird man auch erfahren, dass Sänger Pete Townsend eigentlich noch ein viel größeres Projekt realisieren wollte, ein Konzeptalbum namens Lifehouse. Und wenn man davon ausgeht, dass es dem Gigantismus von Baba O'Reily gefolgt wäre, ist es schade, dass Lifehouse nur eine Vision blieb. Aber auch so ist dieses Album eine überraschend abwechslungsreiche Zusammenstellung gewesen.

Fazit
Ich weiß, wahren Hard-Rock-Fans läuft angesichts meiner Gedanken wohl der Schauder über dem Rücken, aber hey, hier geht es darum, den eigenen musikalischen Horizont zu erweitern - das geht nur in langsamen Schritten. Dieses Album hat mich sehr neugierig gemacht, nicht nur auf The Who. Auch von Led Zeppelin habe ich eine Platte im Blick, die ich noch hören möchte, es wird also nicht mein letzter Ausflug ins Teenage Wasteland gewesen sein. Who's Next war dafür jedenfalls ein verdammt guter Startpunkt.