Spotify und mein (ganz sicher nicht vorbildhaftes) Verhalten zur Musik

Jeder liebt Musik. Jeder hört Musik. WAS für Musik, das war schon immer eine Frage des Geschmacks. Nun stellt sich seit der digitalen Revolution aber auch immer häufiger die Frage nach dem WIE. 

Was müssen das für Zeiten gewesen sein. Damals, als man nur Schallplatten hatte und sich die musikalische Bandbreite doch arg in Grenzen hielt, zumindest wenn man es mit später vergleicht. Fast schon idyllisch.
Dann kamen die Kassetten. Die CDs. Tragbare Spieler, wie der Walkman oder Discman. Dann wurde es digital, MP3s wurden zur neuen Währung, der iPod, das Smartphone zum Vermittler des neuen Audioerlebnisses. Musik laden statt Musikläden, Downloaden, und das nicht immer ganz legal. Und was ist eigentlich noch mal das "Urheberrecht"? Die ganze Musikbranche durchlebt ein Erdbeben, ähnlich geht es dem Film. Kennen wir alles, haben wir schon x-mal durchgekaut, ohne Lösung. Dieses ganze Hinundher ist noch gar nicht zu Ende, da erfreut sich schon ein weiteres, neues Werkzeug wachsender Beliebtheit: Das Streaming.

Selten legal, und nie ohne Gewissensbisse

Falls ihr zu den Musikliebhabern gehört, die noch immer jede CD kaufen, oder das smoothe Kratzen einer Vinyl-Platte als tiefste Befriedigung empfinden, möchte ich euch vorwarnen: Ihr werdet mich hassen, richtig verabscheuen. Ich kann euch verstehen.
Nur ist es so, dass mein Musikverhalten doch viel anders ist als eures. Ich höre eher quantitativ, weniger qualitativ. Ich bin kein "Albumliebhaber", der ganze Platten von der ersten bis zur letzten Sekunde durchhört. Oft genug gefallen mir nur einzelne Stücke, oft auch nur eins. Und das bei vielen verschiedenen Künstlern aus völlig unterschiedlichen Musikrichtungen so. Ich habe in den letzten fünf Jahren vielleicht fünf, sechs Alben gekauft, weil ich sie wirklich gefeiert habe. Sonst: Nichts.
Und dann muss ich auch etwas beichten, was sich eh jeder denken kann: Ich bin einer dieser vielen, vielen Kackspasten, die sich MP3s aus YouTube-Videos ziehen, und auch sonst für Musik keinen Cent ausgegeben haben. Selten war das legal. Und fast nie ohne Gewissensbisse. Aber was sollte ich denn machen? Im tiefsten Teenie-Alter hatte ich echt andere Probleme, als für Musik Geld rauszuhauen. Klingt scheiße, war es auch, aber come on! Ich kenne nur ganz wenig Leute, die es anders gehandhabt haben.

Und damit zurück zum Musikstreaming. Es gibt viele verschiedene Plattformen, ich weiß, doch meine favorisierte und derzeit wohl auch bekannteste ist Spotify. Spotify kenne und nutze ich seit etwa anderthalb Jahren, was ungefähr auch in etwa dem Zeitraum größerer Popularität entspricht.
Für mich war Spotify ein Glücksfall. Endlich konnte ich kostenlos UND legal Musik hören - Der Traum der Schmarotzer! Hauptsache dem eigenen Gewissen geht's gut, ne? Dass die Künstler noch nicht wirklich immer angemessen entlohnt werden, ist mir nicht entgangen. Dennoch halte ich das Streamen für den Schritt in die richtige Richtung. Zumindest für Leute wie mich, die sonst gar nix dafür bezahlen würden. Und inzwischen trete ich immerhin den monatlichen Premium-Beitrag ab, aber das nur nebenbei. In den Ohren echter Musikliebhaber wird das alles sowieso nur nach Selbstverteidigung klingen, nach Verachtung des künstlerischen Talents. Sorry.

Pseudo-philosophische Fragen: Musik hören oder besitzen?

Wenn man's genau nimmt, gibt man beim Streamen ja Geld für Etwas aus, was man dann nicht besitzt. Wir halten nichts in den Händen, wir haben auch keine MP3s auf unseren Festplatten. Das ist der Hauptgrund vieler Menschen, nicht aufs Streaming umzusteigen. Echten Musikliebhaber (ich weiß, ich benutze das in diesen Text ein bisschen einsilbig. Und ich hab das Bedürfnis mich bei euch für jede Kleinigkeit zu entschuldigen) ist doch grade diese Tatsache fast genauso wichtig wie der perfekte Hörgenuss: Das Gefühl zu haben, ein materielles Kunstwerk zu BESITZEN, und sei es nur als digitale Datei. In diesem Bereich driftet man schnell mal in pseudo-philosophischen Gedanken ab. Ich hab mich mehrmals gefragt: Stört mich das, dass ich die Musik nicht besitze? Und ich bin immer wieder zur selben Antwort gelangt: Nein. Nein, weil der einzig relevante Fakt für mich ist, dass ich die Musik immer und überall hören kann. YouTube, zum Beispiel, hat in all den Jahren auch keine andere Funktion eingenommen als das Streamen. Hat mir ein Lied gefallen, konnte ich es - sofern die Gema da nicht rumgeheult hat, also ... eher seltener - einfach anhören. Nur gab es dort zwei Probleme: Das ging nicht immer und überall, weil es arg viel Datenvolumen verschlang oder am nicht vorhandenen Internet scheiterte, und zweitens war das doch ziemlich umständlich zwischen mehreren Videos hin und her zu springen. Mit dem Musikstreaming fallen diese beiden Probleme weg. 

Playlisten-Kuddelmuddel

Und doch ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Uns steht zwar eine riesengroße Menge an Musik auf Abruf zur Verfügung, doch mit der Masse kommt zwangsläufig doch immer die Frage nach einer gewissen Ordnung auf, das Verwaltungssytem der eigenen Musik. Dort wird die große Stärke des Streamens - keine Notwendigkeit physischer Dateien - zur großen Schwäche, denn: Wie zum Henker ordne ich etwas, was nicht existiert. Auch da lohnt ein kleiner Blick zurück in vergangene Windows-Media-Player-Tage: Alle Dateien waren schön sauber aufgeführt, geordnet nach Künstler, Alben, Jahre, Genres und was weiß ich nicht alles. Oder man hatte einen analogen CD-Schrank, wo sich die Frage sowieso schon von alleine erübrigt hat. Der Vorteil war dort: Alles was man mochte, war an einem Fleck. 
Und bei Spotify? Nun, da hat man mal eben Millionen von Songs, von denen man doch einen gewissen Anteil NICHT hören will. Ich habe die Möglichkeit, jedes Lied das mir gefällt, zu markieren. Das landet dann in einem schönen Ordner, der sich "Deine Musik" nennt, und ja ... der ist  offen gesagt für'n Arsch und unübersichtlich as hell. Wenn ich Lieder eines Künstlers aus einem ganz bestimmten Album suche ... dann kommt man bei Spotify nicht besonders weit.
Man muss also andere Wege finden, seine Musik zu organisieren. Spotify steht da ja sehr auf das Erstellen von Playlisten. Finde ich gut, ich liebe Playlisten! Doch es macht nicht wirklich Spaß, wenn man gleichzeitig immer darauf achten muss, für jedes einzelne gottverdammte Lied eine passende Playlist zu suchen. Wenn ein Song einmal in diesen ominösen "Deine Musik"- Ordner gelandet ist, ohne Verwendung in einer Wiedergabeliste zu finden... dann sieht man es länger nicht wieder. Frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Und überhaupt: Nach welchen Kriterien soll man diese Listen denn erstellen? 

Geht es nach bestimmten Genres und Musikrichtungen?
Ja. Ich höre aber dummerweise fast alle Genres. 
Geht es nach zeitlichen Aspekten?
Ja. Nur sind die Lieder untereinander eben super heterogen.
Geht es nach Stimmung?
Ja. Aber wisst ihr wie viel unterschiedliche Launen man haben kann?
Geht es nach Zweck?
Ja. Aber wisst ihr wie viele unterschiedliche Zwecke es gibt?

Es ist ein fast unlösbares Problem, sofern man sich nicht mit mehreren Dutzend Listen umherschlagen will. Und auch die eigenes von Spotify eingeführten Oberordner zeugen nicht grade von großer Übersichtlichkeit.
Spotiy, du bist noch lange nicht perfekt. Und pass ja auf, dass dich der neue Musikstreaming-Dienst von Apple nicht vom Markt kickt. Dann bist nämlich nicht nur du, dann sind auch deine viele Nutzer leicht gefickt. Auch das ist so ein großer Nachteil beim Streaming: Die Gefahr, dass man plötzlich ohne Musik aufwacht, ist immer irgendwo gegeben. Komisches Gefühl. Und auch diese Frage verleitet mich öfter mal zu Ausflügen in die Philosophie ...

Teil 2: Mein System - Wie ich den wilden Löwen Spotify gezähmt habe. (kommt bald ...)