Wer viel im Netz unterwegs ist, so wie
ich, der wird im Laufe der Jahre einige Male vor der Wahl gestanden
haben, welchen Usernamen er denn wählen mächte. Der Großteil, da
bin ich mir sicher, ist da entweder so sorgenfrei, und nutzt ganz
einfach seinen Klarnamen, oder einfach nicht so anspruchsvoll, und
kommt mit einem „olli1234“ oder einem spontanen Einfall daher,
den man schon im frühpubertären Alter hatte und aus Bequemlichkeit
jetzt auch nicht mehr ändert.
Ich bin da leider komplett anders.
Internet-Pseudonyme und ich, das ist eine unendliche Geschichte.
Einerseits will ich in den meisten Fällen nicht sofort unter meinem Klarnamen erkannt werden, weil ich – zum Beispiel hier – auch
öfter mal persönliche Gedanken von mir preisgebe, oder aber eine
Seite von mir zeige, die mit dem Olli aus dem Reallife nicht so viel
zu tun hat. Ich fühle mich hinter einem Pseudonym einfach wohler.
(Wobei es auch nicht übermäßig kompliziert ist, herauszufinden,
wie ich richtig heiße Ich habe halt bloß keine Lust, hinter allem,
was ich im Netz so veröffentliche, direkt meinen echten Namen stehen
zu haben.)
Andererseits will ich auch nicht, dass
mein Pseudonym, so olli1234-mäßig, völlig random gewählt ist. Ich will ja
schon, dass das was ich im Netz mache, mit mir verbunden ist, nur
eben nich so direkt mit meinem echten Namen. Das Pseudonym ist ein
Teil meiner Netz-Identität; übertrieben könnte man auch sagen: Für
mich ist ein Pseudonym auch immer so eine Art Markenname. Eine Marke
hinter der eben all der Shit steht, den ich im Netz so fabriziere,
egal wie unwichtig das auch sein mag. Und dieser Name soll natürlich
passen, das heißt: Er soll eine Geschichte haben, einen Hintergrund.
Wenn mich irgendwer fragt, dann möchte ich anfangen mit: „Ja, also
das ist eine ganz witzige Story, und zwar ...“
Mein erstes wirklich dauerhaftes
Pseudonym, zu dem ich tatsächlich eine in Ansätzen interessante
Geschichte erzählen kann, fand ich tatsächlich aber erst im April
2014, und das auch nur per Zufall: Eine meiner üblichen
Vorlesungs-Kritzeleien, ein grinsender Luftballon mit
Superheldencape, fiel daheim aus meinem College-Block und ich musste
doch ein bisschen lachen. Ich mochte diesen Luftballon, und vor allem
die Symbolik, die sich daraus bei weiterem Drübernachdenken spinnen
ließ:
Ein absolutes Leichtgewicht, das hoch hinaus will. Das Träume und Ziele hat, die irgendwo im Himmel und hinter den fernen Wolken liegen. Das die Welt besser machen will, aber eigentlich keine Ahnung hat. Ein Leichtgewicht, das jung ist, aber auch zweifellos naiv und sich leider gern mal aus der Bahn pusten lässt.
So wurde „leichtgewichtig“ geboren
und der gelbe Ballon auf grünem Hintergrund, das „Leichtgewicht“,
mein Logo. Mit dieser Konstellation hab ich jetzt zwei Jahre lang
ganz gut gelebt, zwei Jahre, in denen diese Mentalität (immer das
Gute sehen, weltoffen und idealistisch sein) nun doch recht häufig
gefordert wurde.
Ich habe schon vor längerer Zeit
festgestellt, dass ich diesem Namen schon lange nicht mehr so richtig
gerecht geworden bin. Und dass ich das eigentlich auch gar nicht
will. Ich will unter meinem Pseudonym keine Lebenseinstellung
präsentieren, kein Prinzip, keine Ideologie oder wie auch immer man
das auch nennen mag. Ich will ich sein. Das bedeutet eben auch, hin
und wieder mal kacke drauf zu sein, und nicht nur das geschönte,
positive Bild abzugeben. Dieser beständige Idealismus, diese
Naivität, dieses dauerhafte Hoffnung, die der Name „leichtgewichtig“ mit
sich brachte - das alles ist nicht mehr so meins. Es gibt da andere,
die idealistischer sind, es gibt andere, die mehr aus ihren
Möglichkeiten machen. Es gibt andere, die – um es mal passend
auszudrücken – leichtgewichtiger sind als ich.
Hey wow, diese Passage ist jetzt doch viel deeper
geworden als ursprünglich geplant. Man kann das ganze natürlich auch
ganz pragmatisch sehen und feststellen: leichtgewichtig ist nie ein locker von
der Lippe gehender Name gewesen. Darum habe ich schon länger nach Ersatz
gesucht.
Und jetzt ist der neue Name gefunden: lestbutnotleast.
Völlig, also wirklich mal so völlig
ohne tiefgreifendere Bedeutung oder Botschaft - einfach nur ein
banales, selbstironisches Wortspiel mit meinem Nachnamen. Ich frag
mich auch, wieso ich mich immer wieder selbst für sowas rechtfertigen möchte - es wird jetzt keinen geben, der „OMG Olli, wie konntest du nur?“
schreit, get a life. Außerdem - und das ist vielleicht die Moral von der Geschicht' - zählt nach wie vor der Inhalt und nicht die Verpackung.
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Wie ist das bei euch so mit euren
Pseudonymen? Bin ich der einzige, der sich darüber überhaupt
Gedanken macht (#firstworldproblem) oder seid ihr da ähnlich penibel
unterwegs wie ich?