Throwbacks & Übersehene

Throwbacks und Klassiker, Wiederentdeckungen und Vergessenes, aber auch Songs und Künstler, die ich bisher schlicht übersehen habe. In diesem Rückblick geht es um die 30 besten jener Songs, die schon etwas älter sind. Geordnet nach Erscheinungsjahr, da ein Ranking irgendwie nicht so wirklich Sinn macht. Eine kleine Regel gibt es auch hier: Nicht mehr als drei Songs von den selben Künstlern.
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Red Hot Chili Peppers – Under the Bridge (1991)
Obwohl ich in diesem Jahr sehr wenig Red Hot Chili Peppers gehört habe, hat es einer ihrer bekanntesten Tracks in diese Liste geschafft. Der 90s Klassiker erinnert mich an einen kuriosen Sommerabend zum Ende meine Zeit in England.


Nirvana – All Apologies (1993)
Viel zu lange habe ich die Nirvana-Diskografie unberührt gelassen. Die Klassiker, klar, die kennt natürlich jeder, aber ich würde mir nicht anmaßen zu sagen, dass ich daran den ganzen Mythos dieser Band ablesen hätte können. Bis mich eine Lorde-Interpretation von All Apologies und einige schwerfällige Momente dann doch dazu brachten, endlich tiefer einzutauchen. Oh, und wie ich es gebraucht hatte. Doch diese Woche voller Konzert-Mitschnitte und Kurt-Cobain-Dokus endete in einem wahren Schock, als sich Linkin-Park-Frontsänger Chester Bennington umbrachte. Das Timing für meine Nirvana-Entdeckung, es war geradezu unheimlich.

Oasis – Champagne Supernova (1995)
Ein Oasis-Klassiker, der zwischen den großen Wonderwall, Don't look back in anger und Live Forever so sträflich unterschätzt wird. Vielleicht braucht's den richtigen Rahmen. Einmal high am Strand, Augen schließen und das Leben spüren. Mit dem Ende der England-Zeit gewann dieser Song für mich unfassbar an Bedeutung und wurde zum emotionalen Auffangbecken sämtlicher Gefühlswandlungen. Die Morning-Glory-Single hat dem Abschied im August ein Gesicht gegeben - ich verbinde mit ihr die letzten UK-Erlebnisse, aber eben auch meine gloriose Rückkehr nach Deutschland, die sich verdammt schön angefühlt hat. Jedes Mal, wenn ich Liam davon singen höre, dass Freundschaften vergehen, immer wenn ich die Melodica höre, ja, bei jedem einzelnen Gitarrensolo, bekomme ich Gänsehaut. Ich glaube nicht, dass das jemals verschwinden wird. Und auch wenn ich gesagt habe, dass ich nicht ranken will: Dieser Song ist meine Nummer #1 - des ganzen verdammten Jahres.

Oasis – Don't Look Back in Anger (1995)
Ein Throwback, der in keinem 2017-Rückblick fehlen darf. Im Mai und Juni erlebte dieser Song ein weltweites Revival, bekanntlich aus traurigem Anlass: Nach dem Terroranschlag auf das Ariana-Grande-Konzert in Manchester am 22. Mai 2017 wurde er zu einer Hymne des Trotzes und war in England ÜBERALL. Der Oasis-Hit fand auch beim bewegenden One-Love-Manchester-Konzert seine Würdigung, wenngleich Sänger Noel Gallagher leider nicht selbst vor Ort war. Das Cover von Coldplay konnte trotzdem zu Tränen rühren. Und selbst beim ersten Fußball-Länderspiel nach dem Anschlag begrüßte Gastgeber Frankreich die Engländer mit diesem Song. Schlicht wunderschön. 

Foo Fighters – Up in Arms (1997)
Eine Nummer, die mir als eher sporadischen Foo-Fighters-Hörer völlig unbekannt war. Dabei ist es mit seinen zwei Minuten zwischen sentimentalen Acoustic-Spuren und euphorischen Punk-Rock-Momenten ein kleines Meisterwerk.


Third Eye Blind – Jumper (1997)
Semi-Charmed Life wird für immer eines meiner absoluten Lieblingslieder bleiben, doch erst dieses Jahr (zum zwanzigsten Release-Jubiläum) ist mir bewusst geworden, wie stark auch der Rest des Debüt-Albums ist. Die Band gehörte laut Spotify sogar zu meinen fünf meistgehörten Künstlern des Jahres. Jumper ist als Repräsentant dieses Albums ziemlich offensichtlich, aber fuck, der Track ist eben einfach so gut.



The Soundtrack Of Our Lives – Sister Surround (2001)
Ein 2000er Rock-Song mit sonnigen Gitarren und allgemein einer wunderschönen Stimmung, der vermutlich viel größer gewesen wäre, wenn die Band nicht aus Schweden stammen würde.



Busted – Year 3000 (2003)
Es ist einer der stupidesten Pop-Punk-Songs der 2000er Jahre und das soll schon etwas heißen. Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Lied schon gehört und überhört habe. Nie hat es sich mir aufgedrängt. Es ist einer dieser süßen Zufälle der England-Zeit, dass es im Sommer 2017 zu meiner Partyhymne aufstieg. Alles nur, weil bei einem geselligen Abend in Bournemouth, auf einer Studentenparty in einem Club namens Yates, dieser Song lief. Es war phänomenal. Witziger war nur, dass ich tatsächlich eineinhalb Monate (und eine verzweifelte Suche) brauchte, um zu erkennen, dass es das vernachlässigte Year 3000 war.

Clem Snide – Beautiful (2003)
Als man Gillian Jacobs und Paul Rust in der zweiten Staffel der Netflix-Serie »Love« nach einer verrückten Nacht auf Pilzen einschlafen sah, lief dieses wunderschöne Rock-Cover im Hintergrund. Und besser konnte man es kaum einbinden ...


Jimmy Eat World – Night Drive (2004)
In meinen Augen ist Jimmy Eat World eine der großen unterschätzten Pop-Rock-Bands – und dies ist einer ihrer unterschätzten Songs. Eine wahnsinnig schöne, vielleicht auch etwas kitschige Ballade, getragen von rauen Acoustic-Elementen und aufgehellt von Jim Adkins' unverkennbarer Stimme. Es gibt zwei Versionen dieses Liedes und in beiden ist das Highlight diese phänomenale Endsequenz – in der rauen, ein wenig echter wirkenden Demo in Form eines geduldig aufgebauten Gitarren-Ausbruchs (hier ab 4:05), auf dem Album hingegen ein fantastischer, hochemotionaler »Na, na, na, na«-Part. Perfekt für verregnete Nächte. Oder eben für die besungenen Abenteuer im Auto.

Yellowcard – Words, Hands, Hearts (2006)
Auch Yellowcard ist gut mit unterschätzt beschrieben. Mit dem Unterschied, dass Yellowcard mich noch mehr durch das Jahr begleitete, vor allem das gesamte Ocean-Avenue-Album. Mit Words, Hands, Hearts handelt es sich aber um einen Song von Lights and Sounds, dessen pure Existenz mich absolut geflasht hat. Wie zur Hölle kann so ein überragend klingendes Pop-Rock-Sahnestück mit wahrlich meisterhaften, tiefgehenden Lyrics nicht bekannter sein? Ein Song, der es locker mit den legendärsten Punk-Rock-Hits der 2000er aufnehmen kann.

Avril Lavigne – Hot (2007)
Ein wahrer Throwback! Ich weiß noch, dass ich damals sehr gerne Avril Lavignes The Best Damn Thing gehört habe. Und dass ich mich dafür geschämt habe. FUCK IT! Hot steckt für mich voller Nostalgie (allein dieses Intro <3), voller Erinnerungen an eine einfachere Zeit. Was würde ich dafür geben, dass Pop-Musik eines Tages wieder SO klingt. Und dass Avril zurückkommt, bitte!



Paramore – Let the Flames Begin (2007)
Und damit sind wir bei meinem Paramore-Hype angekommen, durch dem ich das ganze Jahr über - gut zehn Jahre zu spät - tief in den Emo-Appeal eintauchte. Das erste der drei größten Highlights ist dieser wütende Track von ihrem Zweitwerk RIOT!, den man in Laune lautstark mitsingen will. Fantastisch!


Paramore – The Only Exception (2009)
Von Paramore stammt ganz sicher auch eine der größten Liebeshymnen der vergangenen Jahre, nämlich diese hier. Tragisch, dass ausgerechnet in 2017 die langjährige Beziehung von Hayley Williams zu Ende ging. Der Sympathie zu diesem Song tat das aber keinem Abbruch, kein Wunder, verbinde ich mit der emotionalen All-In-Ballade doch vor allem irgendwie die vielen Abschieden der vergangenen Monate sowie das Ende einer Ära, den Magdeburger Jahren.

Paramore – Turn It Off (2009)
Vor allem ihr Album brand new eyes hat es dieses Jahr in meine Favoritenliste geschafft und war vielleicht sogar meine liebste nicht-2017-erschienene-Platte. Turn It Off lebt (besonders im Chorus) von kräftigen Gitarrenriffs und der unbändigen Stimme von Hayley Williams, die bei all der Dramatik doch so etwas wie Optimismus verbreitet. Ihre zweitbeste Vocal-Performance des Albums - die beste ist ganz sicher All I Wanted (aber es sind ja nur drei Songs pro Künstler erlaubt ...).



Jamie IV – Heart of Gold (2011)
Früher oder später musste der Moment kommen, an dem ich meine Sympathien für die MTV-Serie Awkward öffentlich mache. Ich mag die Show auch deshalb, weil ihr Soundtrack so voller unentdeckter Glanzstücke ist, wie auch dieser hier: Heart Of Gold, ein Indie-Rock-Song voller Melancholie und riesigen Gitarren im Chorus.



Lana Del Rey – Diet Mountain Dew (2012)
Meine Lana-Del-Rey-Obsession war im Frühjahr echt ziemlich massiv. Leider hat mich ihr neues Album Lust for Life eher so semi begeistert. Diesen Song von ihrer Debüt-Platte habe ich all die Jahre ziemlich übergangen. Warum eigentlich? Es ist ein kurzweiliger Ohrwurm und Lana Del Rey klingt hier echt ungemein anziehend.



Charlotte Ritchie – Ember to a Flame (2012)
Oh man. Ich verspüre unfassbar große Nostalgie, denn auch auch dies ist so ein Song, den ich unweigerlich mit England verbinde.  Er stammt aus einer wunderbaren Comedy-Serie namens Fresh Meat, die das Leben einer Gruppe britischer Studenten begleitet. Es sind skurrile, völlig unterschiedliche Charaktere, die in den Wirren des Alltags aber zu einer verschworenen Einheit zusammenwachsen. Besonders mag ich in Fresh Meat die menschlichen Momente, die dieses Lied auch hervorgebracht haben. Charlotte Ritchie, die in der Serie Oregon/Melissa spielt, klingt hier schlicht phänomenal. Und auch außerhalb der Serie ist Ember to a Flame eine großartige Ode an die Freundschaft.

DJ Fresh – Gold Dust (Shy FX Re-Edit) (2012)
Der mit ganz, ganz großen Abstand geilste Party-Track meines Jahres stammt aus 2010. Seine Hook ist so genial und unvergleichlich, dass sich selbst diejenigen ein klein wenig erinnern dürften, die mit Drum'n'Bass eher nichts am Hut haben, ja, auch ich zähle mich dazu. Als eine England-Bekanntschaft Gold Dust zufällig anspielte, nahm mich die Power und diese schier unbändige Lebensfreude jedenfalls sofort mit. Der Song ist in wirklich allen Versionen feierbar, doch der Shy-FX-Remix von 2012 gibt mir noch den gewissen Extra-Kick mit. Wow!

Lorde – Buzzcut Season (2013)
Ich würde fast behaupten, dass dies einer der schönsten und gleichzeitig sentimentalsten Sommersongs ist, die es gibt. Einer, der in besonderen Momenten seinen ganz eigenen Zauber verbreiten kann. In meinem Fall erwischte es mich an diesem stressigen Sonntagnachmittag. 10 Stunden im Kiosk bei praller Hitze lagen hinter mir. Auf dem Heimweg hörte ich Pure Heroine, beobachtete die vielen glücklichen Menschen am Strand, spürte die leichte Brise auf der schweißnassen Haut und dachte mir: Das ist er, der pure Sommer. Manchmal sind es die kleinen Dinge.

Lorde – A World Alone (2013)
I feel you, Lorde. Noch so ein völlig vergessenes Pure-Heroine-Kunstwerk, das mir in einsamen Momenten während des Sommers in England doch irgendwie Mut gemacht hat. Es gibt nur wenige Songs, die sich mit sozialen Phobien so behutsam auseinandersetzen, wie Lorde hier. Danke dafür.



The 1975 - Milk (2013)
Die 80s-Retro-Band schlechthin, die man irgendwie gern haben muss. Milk ist mit seinen strahlenden Gitarren der Inbegriff eines Feel-Good-Songs und erinnert in seinen besten Momenten sogar ein wenig an The Cure. Ein Stück Musik, das ich immer irgendwie mit diesen ersten Monaten in Potsdam verbinden werde.


Kids in Glass Houses – Peace (2013)
Ich bin, wie man vielleicht schon bemerkt hat, ein Hörer, der voll auf eingängige, unvergessliche Refrains steht. Der Wettkampf um meine liebste Hook des Jahres ist also ausgesprochen hart.  Würde man nun die Energie messen, die ich dank dieses Song in Kopfnicken verbraucht habe sowie die Anzahl der Durchläufe, in denen ich lautstark mitgesungen habe, dann wäre Peace aber ein würdiger Titelträger. Es ist eben eine fröhlich-ungehemmte Hommage an die Rock-Musik voller jungenhaften Charme. Und weil's so geil ist, hier noch einmal zum Mitschrei(b)en: »We're singing peace in the valley and sex in my soul, death to my body, bury me in rock and ro-oh-oh-oh-oll«

Wolf Alice – Moaning Lisa Smile (2014)
Es hat mehrere Songs gegeben, die meine diesjährige Wolf-Alice-Obsession begründet haben, doch der allererste war Moaning Lisa Smile.  Diese Außenseiter-Hymne mit seinem düster angehauchten Chorus hat mich vom ersten Moment an im Mark getroffen und wurde zu einem der am häufigsten gespielten Tracks meines Jahres, meist dann, wenn ich Zeit für mich brauchte. Wenn ihr noch keinen Zugang zu dieser Band gefunden habt (und ich hab es nun schon wirklich oft versucht ... ), dann ist dies mein ultimativer Ass im Ärmel.

Wolf Alice – Bros (2013/2015)
Noch so ein Fall, in dem ein kantiges Original für ein Album glattpoliert wurde. Bros, so wie es heute existiert, ist ein schöner Indie-Pop-Song, eine absolut grandiose Freundschaftshymne, keine Frage. Doch die Ur-Version hat etwas ganz herzliches und ist vielleicht eine der schönsten, lebensfreudigsten Dinge, die ich je gehört habe. Es sind die Details, die hier besser sind: Das Intro ist länger, es gibt keinen Chorus, dafür aber grundympathische Shout-Effekte, die die Einzigartigkeit der beschriebenen Freundschaft voll gerecht werden. Es klingt einfach jugendlicher, frischer und freier, unbekümmerter sowie alles in allem weniger perfekt. Und das liebe ich.

Wolf Alice – Leaving You (2015)
Und doch: müsste ich einen Favoriten von Wolf Alice auswählen, einen, der ganz besonders in dieses Jahr so perfekt gepasst hat, dann ist es dieser eher unbekannte Song, der lediglich auf der Deluxe-Version von My Love Is Cool zu finden ist. Ein seichter Classic-Rock-Song, in dem Ellie Rowsell so bewegend klingt, wie nirgendwo sonst. Spätestens wenn dieses dahinschmelzende, wirklich herzzereißende Gitarrensolo einsetzt, könnte ich heulen. Kein Song hat die Melancholie des Unterwegsseins besser wiedergegeben.

Coldplay – Up&Up (2015)
Es ist einer der besten Coldplay-Songs ever & ich hab ihn komplett übersehen. Erschienen ist Up&Up Ende 2015 auf Hymn for the Weekend und trieft nur so vor Kitsch. In diesen Zeiten (erstmalig bin ich dem Song wenige Tage vor der Amtsübernahme von Donald Trump begegnet) habe ich aber eine so dermaßen bewegende Hymne gebraucht, die eigentlich nur die Welt verbessern möchte. Fast mehr noch als der Song ist es dieses umwerfende Musikvideo, dessen Kreativität und visuelle Schönheit mich schlicht umgehauen hat.

Jamie xx ft. Young Thug, Popcaan – I Know It's Gonna Be (Good Times) (2015)
Einer dieser Songs, die man, wenn man nachts nicht einschlafen kann, in Dauerschleife laufen lässt und über die Zukunft nachdenkt. Jamie xx hat hier ein echtes Brett hingelegt, dessen Kontrast zwischen dem kühl anmutenden Beat und dem herzlichen Vocal-Sample mir irgendwie Leben einhaucht.


Castlecorner – Escapism (2015)
Escapism ist ein emotionaler, mitreißender Indie-Track zum Mitsingen, also genau das, was ich zu Jahresbeginn gebraucht habe. Zudem mit Lyrics, denen ich mich nach 2016 und 2017 doch unweigerlich zugewandt fühle.



Brawlers – Two Minutes (2015)
Ein verdammt bewegensfreudiger Punk-Rock-Track einer komplett unterschätzten Band. Direkt auf den Punkt, sehr kurzweilig und ausgestattet mit einem unfassbar lebensbejahenden Chorus, dem man sich nur schwer entziehen kann. 

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Throwbacks & Übersehene