Man kann durchaus behaupten, dass ich in den vergangenen zwei Jahren im Wahn war. Es war die große Album-Explosion von 2019/2020.
Dabei begann alles ganz harmlos, mit
einer simplen Idee: Warum höre ich nicht einfach mal die großartigsten Alben
aller Zeiten? Also die, auf die sich die Kritikergemeinde einigen kann. Die man
einmal gehört haben MUSS. Auch hier gibt es einige Listen, auf die man zurückgreifen
kann. Die Rolling Stones Top 500 ist sicherlich die bekannteste. Dazu hat jede größere
Musikseite auch Dekaden-Specials, z.B. NME oder Pitchfork (ich stimme im Allgemeinen
eher mit NME überein, aber das ist nur mein Geschmack). Auch in kleineren
Internet-Communities wie besteveralbums bekommt man schnell einen guten
Eindruck über das, was so allgemein als besonders »hörenswert« empfunden wird.
Wenn man gerade erst so richtig
anfängt, wird man völlig entsetzt feststellen, dass man ziemlich wenig kennt. Aus
der besteveralbums-Top-50, als Beispiel, kannte ich bis vor zwei Jahren genau 2
Alben. ZWEI von FÜNFZIG!
Sicher, solche Listen sind nicht
alles. Aber wenn man einigermaßen »mitreden« können möchte, und wenn es nur ein
»Diese Listen sind völlig hirnrissig« ist, dann sind zwei von fünfzig schon
erbärmlich. Und darunter ist nicht nur altes Zeug aus ewig vergangenen
Jahrzehnten.
Da war mein Kampfgeist geweckt. 100
solcher Alben, so mein Vorsatz, wollte ich im Jahr 2019 hören. Einfach mal
eintauchen, geduldig sein, wiederholen, bis man sich eine Meinung gebildet hat.
Ich erstellte mir eine große Liste. Gleich verteilt auf sechs Jahrzehnte. Zumindest
die Anfänge dieses »Experiments« sind ja auch im Blog noch nachzulesen.
Ich habe es durchgezogen. Und nicht
nur das. Die Hemmung, einfach mal Dinge auszuprobieren, verschwand. Die Liste
wurde mit der Zeit immer länger. Drum herum, alles was mich irgendwie ansprach,
nahm ich auf.
Ihr werdet euch sicher auch schon
gedacht haben: Alter, hast du kein Leben? Du hast viel zu viel Zeit!
Und das stimmt zu einem Teil ja auch.
Aber dieses Album-Hören lässt sich eben auch recht gut in den Alltag
integrieren, besser jedenfalls als ich anfangs dachte. Auf dem Weg zur Uni oder
zur Arbeit, zurück – theoretisch reicht das schon für zwei Albumdurchläufe. Oder
beim Abwaschen. Putzen. Einkaufen gehen. Nicht zuletzt hat es mir natürlich die
Corona-Pandemie und der Lockdown noch viel einfacher gemacht, eine riesige
Masse zu hören. Eine Masse, für die es sonst wohl mehrere Jahre gebraucht
hätte.
Ich weiß leider nicht mehr genau, um
welchen Wert die Datenbank in diesen zwei Jahren genau angewachsen ist. Ich
kann es aber grob hochrechnen, denn für meine Hall of Fame weiß ich es genau.
Von den 304 Alben in meiner Hall of Fame kannte ich 180 bis vor zwei Jahren
noch nicht. Zieht man die 44 Alben ab, die auch erst in 2019 und 2020
erschienen sind, bleiben immer noch 136 Alben, also 44 Prozent der Hall of Fame.
Wir wissen, dass ungefähr 25 Prozent aller Alben, die ich höre, hier landen. Da
es sich um objektiv besonders gute Album handelt, können wir den Wert etwas
höher legen, auf ein Drittel. Selbst so landen wir bei über 400 Alben, die ich
in diesen zwei Jahren ungefähr gehört habe – aktuelle Releases wohlgemerkt
nicht einberechnet. Das ist schon ziemlich heftig.
Inzwischen ist das Ganze immer
systematischer und methodischer geworden. So versuche ich die Zahl der
Einzelsongs in meiner Bibliothek zu verkleinern, indem ich die dazugehörigen
Alben höre. Oder ich gehe über Künstler-Diskographien. Zudem setze ich mir nun für
jedes Jahr bestimmte Richtwerte, die mit Nähe zur Gegenwart natürlich immer
größer werden. Von bis zu 75 in den 2010ern, über 20 zu Beginn der 2000er hin
zu der runden 10 für die 60er, 70er, 80er. Meine Reise durch die Jahrzehnte ist
also noch lange nicht am Ende.
Ja, ich verbringe viel zu viel Zeit
damit. Aber die braucht es auch. Denn es gibt auch viel zu viel Zeiten und
Dekaden zu entdecken gilt.
Und auch die Datenbank an sich ist
noch nicht fertig.
Was, dachtet ihr, das war's schon?
Nein. Es gibt noch vieles
auszuprobieren. Ich habe noch viele Ideen, wie sich das alles noch ausbauen
lässt. See you next time.