HALL OF FAME: Wir sind Helden - Die Reklamation (2003)

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Die Reklamation von Wir sind Helden
Release: 7. Juli 2003
Genre: Pop, Pop-Rock

Heute ist deutscher Gesang im Radio-Mainstream völlig normal, und egal was man davon halten mag, ein Teil ist dies der Verdienst von Wirsind Helden, aber auch Juli und Silbermond, die die deutsche Pop-Szene Anfang der 2000er für einen gewissen Zeitraum aufmischten. Vielleicht sogar revolutionierten? Ich weiß nicht. Ich meine, nein, früher war nicht alles besser. Vielleicht bin ich zu voreingenommen und tue der heutigen Deutsch-Pop-Szene unrecht. Vielleicht war Deutsch-Pop auch zu Hochzeiten der Neuen Neuen Deutschen Welle (was ein beschissener Begriff) nicht viel tiefgehender als heute, vielleicht achte ich heute viel kritischer darauf, wie lasch und weichgespült Radio-Musik ist. Es kann wirklich einfach sein, dass sich das nur so anfühlt, weil die Helden keine Musik mehr machen. 

Eine Band mit Charme, die mehr war, als "die Gruppe mit der hübschen Frontfrau". Ich habe Wir sind Helden geliebt, ihre Texte, ihren Mix aus Verspieltheit und Seriösität. Es gibt kein Helden-Album, das ich nicht mag. Doch keines war so genial, so ausdauernd wie ihr Debüt Die Reklamation

Und um sein Appeal zu verstehen, braucht es eben diesen einleitenden Backround. Die Reklamation ist eine Pionier-Leistung. Ein mutiges Werk, nicht nur weil es deutschen Gesang beinhaltet, sondern weil die Texte Tiefgang hatten und nicht dem Kitsch verfielen. Die Helden behandelten übliche Themen wie die Liebe mit Bescheidenheit und ihrem ganz eigenen Humor. Humor, kombiniert mit einer gewissen Frechheit, die eine Band mit diesem Namen und dem unausgesprochenen Wunsch, die verkrusteten Strukturen, nicht nur des Musik-Businesses, aufzubrechen, einfach auch braucht. Guten Tag und Ist Das So? stechen diesbezüglich beide als die markantesten Tracks hervor. Der Geist der Revolution lässt sich aber auch im Storytelling der Erfolgs-Single Denkmal finden, seit Kindheitstagen eines meiner absoluten Lieblingslieder, dieich, immer wenn sie irgendwo gespielt werden, leidenschaftlich mitsinge. Inhaltlich ist es nur oberflächlich ein Pseuo-Protestsong, es ist mehr noch eine Mahnung vor dem eigenen Ruhm - auch hier eröffnet der Bandname eine ganz neue Meta-Ebene.

Es ist nicht einfach, einzelne Stärken der Helden hervorzuheben, da sie so vielfältig sind. Außer Dir und Die Nacht sind zwei gemächliche, aber wunderbare Balladen, während Aurelie durch eine verdammt witzige Erzählweise punktet. Wenn ich eines Tages alt und gebrechlich bin, dann bete ich, dass Aurelie ein Comeback im Schlager feiert, als ein Song, der mich an die gute alte Zeit erinnert - und für den sich meine Enkel schämen.
Sicher, manchmal kann die volle Ladung Helden-Weirdness zu viel sein. Nicht jeder Song verträgt den Overplay. Monster beispielsweise ging mir irgendwann echt auf die Nerven und konnte sich nicht rehabilitieren. Allgemein, der manchmal echt streberhaft wirkende Electro-Einfluss kann abtörnend sein. Und auf Songs wie Müssen Nur Wollen, eine zugegeben etwas deplatziert wirkende Motivations-Nummer mit der Message "Zusammen können wir alles schaffen, muss man sich - sorry, es muss sein - gemäß dem Titel auch wirklich einlassen wollen. Dann wird man belohnt mit einem unbändigen Glücksgefühl.

Die Reklamation ist eines der Alben, mit denen ich aufgewachsen bin und die ich allein deshalb immer irgendwie im Herzen tragen werde. Es hat Schwachpunkte, sicherlich, doch über die kann ich persönlich locker hinwegsehen. Danke dafür, ihr Helden. Ich hoffe, ihr kommt eines Tages zurück.

Persönliche Favoriten: Denkmal, Aurelie, Müssen Nur Wollen, Ist Das So?, Außer Dir, Guten Tag
Persönliche Lowlights: Monster
Album-Score: 8,3