WM-Tagebuch #9 – Der, der keinen Druck verspürt.

Sambamärchen. Die Finals in den Gruppen A und B

Er ist einfach ein Phänomen: Neymar lässt sich von den tonnenschweren Erwartungen, die auf seinen Schultern liegen, einfach nicht erdrücken. Sowas wie Druck scheint er nicht zu kennen. So erfüllt er brav und völlig ungeniert all die Hoffnungen, die ein ganzes Volk in seinen Wunderfuß setzt. Schon wieder schnürte der Star im brasilianischen Team einen Doppelpack und übernahm mit seinen Toren 3 und 4 die Führung in der WM-Torschützenliste. Man mag sich verwundert die Augen reiben ob dieser gigantischen Unbekümmertheit.

Nemar ist nicht einer von vielen im Dress der Selecao – die Selecao ist Neymar. Ob das gut ist, ist eine andere Frage.

So bleiben auch nach dem 4-1 gegen Kamerun noch einige Zweifel hinsichtlich der wahren Stärke dieser Mannschaft. Neymar brillierte, zauberte und schoss seine zwei Tore in den wichtigsten Momenten: Das 1-0 ganz früh und die erneute Führung nach dem Ausgleich. Man mag sich nicht ausmalen, wo die Brasilianer ohne ihr Wunderkind ständen. Die so hochgelobte Abwehr um David Luiz zeigte auch dieses mal – im Duell mit dem schwächsten Vorrundengegner – wieder ihre Anfälligkeit. Vorne schleppt und stolpert sich Fred durch die gegnerischen Abwehrreihen, ist so etwas wie der brasilianische Mario Gomez. Auch Hulk oder Oscar konnten ihr Potential noch nicht wirklich zeigen. Klar, am Ende steht ein eindeutiger, teils richtig gute herausgespielter Sieg gegen die Afrikaner, doch wenn das schon das Ende der Fahnenstange ist, zumindest was die Leistungsfähigkeit angeht, wird Brasilien nicht weit kommen. Neymar alleine reicht nicht.
Schon gar nicht im Achtelfinale gegen bisher so begeisternde Chilenen.

Okay, sie haben gestern ihr letztes Gruppenspiel gegen die Niederlande verloren, doch auch den wahrscheinlichen Topfavoriten hatten sie weitesgehend im Griff. Am entschieden ein ausgeglichenes Spiel wieder mal zwei Joker. Die Holländer können also das Duell gegen den Gastgeber vermeiden, doch wirklich leichter wird es in der nächsten Runde dadurch nicht. Nach einem überzeugenden 3-1 über Kroatien wartet mit Mexiko eine bissige und leidenschaftliche Mannschaft, die einen Fluch besiegen will: Fünf Mal in Folge erreichte man das Achtelfinale – fünf mal scheiterte man. Holland muss gewarnt sein. Und außerdem haben die Mittelamerikaner den coolsten Trainer des Turniers, weil er sich beim Jubeln auch gerne mal in die Traube hineinwirft …