WM-Tagebuch #10 – Vorsicht, bissig!

Sambamärchen. Die Finals der Gruppen C und D.

Dass das entscheidende Duell zwischen Italien und Uruguay kein besonders schönes werden würde, konnte man irgendwie erwarten. Beide Teams sind bekannt für ihre nicht immer ganz saubere Spielweise und den Hang zu diversen kleineren Nickligkeiten. So sah das Geschehen auf dem Rasen dann auch größtenteils aus: Immer wieder Fouls und fiese Tritte, wohlgemerkt von beiden Seiten. Nein, ich wusste schon früh, warum ich eigentlich keinem das Achtelfinale gönnen würde. England war aber nun mal leider schon raus, so dass das Vorrundenaus dummerweise nur einen ereilen konnte. Was dann aber in der zweiten Halbzeit geschah, machte mich so fuchsteufelswild, dass ich völlig unbemerkt zur Azzuri übergelaufen bin.

Das fing mit der roten Karte für Marchisio an, die einfach nur übertrieben war: Im Zweikampf um den Ball traf der Italiener seinen Gegenspieler am Schienbein. Schmerzhaft, keine Frage, und natürlich war es ein hartes Einsteigen, das eine Karte nach sich ziehen muss. Die mit der gelben Farbe wäre hier aber wohl eher angebracht gewesen. So dezimierte er eine italienische Mannschaft, die zwar nicht wirklich drauf und dran war ein Tor zu schießen, das Spiel aber weitesgehend offen halten konnte. Der Platzverweis hat das Spiel dann entscheidend in eine bestimmte Richtung gelenkt. Das war bitter für Italien, aber mit solchen Entscheidungen muss man dann leben. Uruguay wurde besser, hatte einige Chancen, doch das Tor fiel nicht. Erst kurz vor Schluss drückte Diego Godin eine Ecke mit dem Rücken ins Netz. 1-0 .. es war der Siegtreffer. So viel zum Sportlichen.

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Der Biss von Suarez
Was man menschlich wirklich nicht nachvollziehen kann, sind die Geschehnisse nur wenige Minuten zuvor: In einem für diese beide Teams relativ harmlosen Zweikampf abseits des Balles geraten Luis Suarez und Georgino Chiellini aneinander. Fallen hin, der Italiener hält sich die Schulter, der Uruguayer die Zähne. Passiert, denkt man im ersten Moment, und bekommt in der Wiederholung dann die bisher wohl mieseste Attacke der WM zu sehen: Suarez beißt seinem Gegenspieler. Ja, er beißt. Er schlägt ihn nicht, er tritt ihn nicht, er gibt ihm keinen Kopfstoß – er beißt. Was für eine hässliche Szene! Und dann kommt er auch noch ungeschoren davon, weil es der Schiedsrichter nicht gesehen hat, der sich auch nicht zu einem Feldverweis durchringen kann, als Chiellini ihm die deutlich sichtbaren Bissspuren an der Schulter zeigt. Der Wahnsinn! Bezeichnend, wie Suarez' Mitspieler dann noch mit größter Leidenschaft zu verhindern versuchen, den offensichtlichen Beweis vom Schiri fernzuhalten. Die Nationalelf von Uruguay hat jetzt zumindest bei mir sämtliche Sympathiewerte verspielt: Bereits im Spiel gegen Costa Rica fiel man mit Frustfouls auf, doch was sie dann nach dem Schlusspfiff zur Beißattacke zu sagen hatten, lässt einen nur ratlos zurück: »Es geht hier um die WM, nicht um die Moral«, sagt der Trainer. Kapitän Lugano behauptet sogar, die Spuren auf Chiellinis Schulter stammen gar nicht von Luis Suarez. Der Übeltäter selbst spricht davon, dass er beim Zweikampf von Chiellini am Auge getroffen wurde (warum hält er dann aber nach dem Vorfall nur seine Zähne?), und solche Reaktionen wie seine nun mal im Fußball vorkommen. Ach, tun sie das? Ich kenne bisher nur einen Spieler, der schon mehrmals wegen solch miesen Aktionen aufgefallen ist, und das ist – wer hätte das nur gedacht? - zufällig Luis Suarez selbst. Damals bekam er jeweils eine Sperre: Einmal 6, einmal 10 Spiele – wenn die WM für diesen Kerl damit nicht beendet ist, weiß ich auch nicht weiter. Mehrere Monate wären gerecht, ganz ehrlich.

Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das erneute italienische Vorrundenaus nicht unverdient ist. Wer sich hinten einmauert und nur ganz sporadisch mal was für den eigenen Angriff tut, muss so ein unglückliches Gegentor akzeptieren. Im Achtelfinale geht es für Uruguay jetzt gegen Kolumbien – ratet mal, welchem Team ich die Daumendrücken werde …

Samaras nach seinem Last-Minute-Treffer
Das zweite dramatische Gruppenendspiel, dieses mal in der Gruppe C, stieg in Fortaleza zwischen der Elfenbeinküste und Griechenland. Den Afrikanern hätte ich dieses Weiterkommen sehr gegönnt. Ein Unentschieden hätte gereicht, um nach 2006 und 2010, wo man an sehr schweren Gruppengegnern verzweifelte, nun endlich diesen Erfolg zu feiern. Die Griechen, vor Beginn der WM von vielen wohl als schwächstes Team dieser Gruppe eingeschätzt, waren gestern allerdings sehr stark, und hatten die größten Gelegenheiten des Spiels. Man könnte fast sagen, so stürmisch hätte ich diese Mannschaft noch nie gesehen. Die Führung war also verdient, doch die Ivorer machten in Halbzeit zwei den schönen Ausgleich. Bis zur 90. Minute sah es also so aus, als könnte sich die Elfenbeinküste weiterzittern – dann nahm das Drama seinen Lauf: Griechenlands Samaras wird beim Schussversuch getreten – Elfmeter. Vollkommen richtig gesehen, so leid mir das auch tut. Der Gefoulte schoss selbst, verwandelte und damit steht der Europameister von 2004 in der nächsten Runde. Mit einem Last-Minute-Sieg, der nicht verrückter hätte sein können. Die Elfenbeinküste fliegt erneut nach der Gruppenphase heim und kann sich die Achtelfinals im Fernsehen anschauen. Unter anderem wird es da Costa Rica gegen Griechenland geben. Zwei Teams, die ich vor ein paar Wochen in die Kategorie »Achtelfinale = Riesensensation« gesteckt habe. Wir man sich doch täuschen kann …

Sorry, dass in der ganzen Betrachtung hier das 0-0 von England und eben jenen Costaricanern, sowie das 4-1 von Kolumbien über Japan nicht so zur Geltung kommen, doch ihr seht ja selbst, wie krass es auf den anderen Plätzen zuging ;)


Heute: Wer folgt Argentinien und Frankreich ins Achtelfinale? In der einen Gruppe liefern sich Iran und Nigera ein Fernduell, in der anderen Schweiz und Ecuador. Spannung pur!