Miro the Hero

Sambamärchen. Eindrücke vom zweiten Gruppenspiel gegen Ghana.

Vom Himmel in die Hölle, und noch mal zurück: In Fortaleza entwickelte sich am Samstagabend eine packende Partie, an deren Ende ein leistungsgerechtes Unentschieden steht. Leistungsgerecht deshalb, weil beide Mannschaften in der furiosen zweiten Hälfte auf Sieg gingen. Die Spannung war greifbar, und am Ende weiß man nicht, ob man zufrieden sein soll oder eher nicht. Nach dem Spielverlauf kann man das sein. Finde ich jedenfalls. Doch als ich mich gestern Abend beim Public Viewing ein bisschen umgehört habe, hörte ich vorrangig negative Stimmen. Scheiße war's, ganz schlecht. 

Och nöö, so drastisch hab ich das nicht gesehen. Wir waren nicht besonders stark, das muss man zugeben. Viele kleine Fehler im Spielaufbau (und mit klein meine ich Philipp Lahm), Unkonzentriertheiten, und ein paar negative Aspekte, die gegen Portugal noch so fern schienen. Sind wir halt wieder geerdet, passiert. Wichtig ist, dass wir unsere Schlüsse daraus ziehen. Vielleicht sollte man aber auch nicht alles so mies sehen, und den Spielverlauf von einer ganz anderen Perspektive betrachten: Hey, Ghana war nämlich wahnsinnig stark.
Kompakt hinten, stets gefährlich vorne. Unsere letzten Pässe, meistens auf unseren Goalgetter Thomas Müller, kamen nie an. Ständig grätschte ein rotes Bein dazwischen. Das Spiel erinnerte mich in so vielen Punkten an eines unserer Vorbereitungsspiele, das – wie soll es auch anders sein – unser Match gegen Ghana simulieren sollte: Das 2:2 gegen Kamerun. Wir scheinen uns gegen die Athletik und die Robustheit der afrikanischen Teams etwas schwer zu tun. Auch damals spielten wir mit einer »falschen Neun« und brachten damit recht wenig zustande.

Aber genug rumgemeckert. So viel Heulerei hat dieses Spiel echt nicht verdient, dafür war es viel zu unterhaltsam, zu spannend. Ich hab selten so mitgefiebert wie am Samstag und es war echt toll, dass ich das mit Hunderten von anderen Menschen tun konnte. Solche Spiele sind wie gemalt für das allseits beliebte Gruppenglotzen. Gemeinsamer Jubel über das Kopfball-Knie-Tor von Mario Götze, das auch ein Thomas Müller kaum mülleresker hinbekommen hätte. Gemeinsamer Frust nach dem schnellen Ausgleich. Gemeinsamer Verzweiflung nach der völlig unnötigen Führung für Ghana. Gemeinsames Zittern, als danach eher ein 3-1 in der Luft lag als der Ausgleich. Und alles war nur Vorlauf für den eigentlichen Höhepunkt des Spiels: Der Auftritt von Miro-Hero!

Erster Ballkontakt von Klose bei dieser WM ...
Unser Mannschafts-Opa Miroslav Klose wurde vor dem Turnier etwas aus der Startelf verdrängt. Ungünstig, wollte er doch dieses Jahr in Brasilien den WM-Torrekord von Ronaldo knacken. Gegen Portugal saß er jedenfalls 90 Minuten auf der Bank. Doch das scheint dieses Jahr sein Job zu sein: Erst zusammen mit Schweinsteiger reinkommen, um eine schwimmende deutsche Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen, dann seinen Fuß hinhalten, wo er am meisten gebraucht wird. Klose benötigte bei dieser Fußball-WM 2014 genau einen Ballkontakt, um seinen 15ten WM-Treffer zu erzielen. Ronaldo ist damit eingeholt. Grenzenloser Jubel folgte, und Klose ließ sich auf seinen alten Fußballer-Tagen noch zu einen seiner berühmten Saltos hinreißen (mit mäßigen Erfolg). Die Geschichte des Miro-Hero – ganz großes Kino. Schade, dass es nicht noch zu mehr reichte.


Und wenn schon: Der Achtelfinal-Einzug ist nur noch Formsache. Da die USA ihr Spiel mit dem gleichen Ergebnis 2-2 beendeten, reicht uns im nächsten Spiel gegen Jürgen Klinsmanns Truppe ein Remis zum Gruppensieg. Und bei einer Niederlage müssen Ghana und Portgual unsere Tordifferenz auch erstmal aufholen. Das sollte eigentlich reichen. Durch eine verrückte Konstellation wird das nächste Spiel aber zum echten Politikum: Der Bundestrainer Löw trifft auf seinen Vorgänger Klinsmann, der ihn zum Assistenten gemacht hat, und ohne den der Jogi sehr wahrscheinlich keine Anstellung beim DFB hätte. Es sind die besonderen Geschichten. Und jetzt erwartet die ganze Welt von den beiden, dass sie sich bekämpfen und bloß kein Unentschieden spielen – denn das würde beiden reichen. Ein Schelm der Böses dabei denkt …