WM-Tagebuch #2 - Der erste Tanz

Sambamärchen. Das Eröffnungsspiel mit einem Pechvogel, dem Retter einer ganzen Nation und einem sterbenden Schwan.
England-Legende Gary Lineker hat's perfekt zusammengefasst: Die WM 2014 begann gestern Abend sehr vielversprechend. Nicht unbedingt wegen der Eröffnungsfeier mit dem Höhepunkt des Auftritts von Pitbull, J.Lo und Claudia Lette, die ihren WM-Song sangen (der, das muss ich mal zugeben, mir inzwischen immer besser ins Ohr geht), sondern viel mehr wegen das was in den 90 Minuten auf dem Platz abging. 3 zu 1 siegte der Gastgeber – und das echt verdammt glücklich.
Nein, ich wollt wirklich nicht gegen Brasilien sein. Dem Gastgeber gönnt man schließlich 'nen vernünftigen Auftakt, allein der Stimmung wegen, und so. Doch spätestens in der 70ten Minute war meine geplante Neutralität dahin: Der Brasilianer Fred geht zu Boden und fordert einen Elfmeter. Und bekommt ihn. In der Wiederholung suche ich und der gesamte Rest der Welt verzweifelt ein Foul, doch wir finden es nicht. Fehlentscheidung. Ein sterbender Schwan mal wieder, Buh! Ich werde laut, wollt ihr echt so gewinnen? Ja, wollen sie, ganz egal wie. Verständlich. Aber es ist der Moment, wo ich zu den Kroaten überlaufe. Vorher boten sie schon eine fantastische Leistung, und spielten den Part des Spielverderbers perfekt. Sie schossen zum Entsetzen der brasilianischen Fans die Führung, beziehungsweise tat das einer der Herren in gelb, weil er nicht mehr ausweichen konnte. Der arme Marcelo! Da fieberste monatelang auf dieses Turnier hin und machst dann gleich das erste Tor der WM. Nur halt auf der falschen Seite. Dumm gelaufen. Sein Glück und das von vielen Millionen Brasilianern war am Donnerstag dann die pure Anwesenheit eines gewissen Neymars. Der Spieler vom FC Barcelona, dem alle die Rolle des Superstars dieser WM zutrauen, brachte die Selecao vor der Halbzeit mit einem gar nicht mal so unschönen Weitschusstor zurück. Danach war der Ausgang des Spiels völlig offen. Knisternde Spannung, zwei ebenbürtige Teams, toll, was will das Fußball-Herz mehr? Und dann kommt es zu besagter Szene, die alles kaputt macht. 
Vielleicht wär's nicht so schlimm gewesen, wenn Neymar bei der Ausführung des darauffolgenden Elfers nicht noch die ganze Bandbreite der Absurdität mitgenommen hätte: Hampelmann-Anlauf, Schuss, Torwart Pletikosa hat ihn eigentlich, doch haut ihn sich dann doch noch selbst irgendwie ins Netz. Mit der Vorgeschichte ist es alles in allem der Inbegriff eines richtig hässlichen Strafstoßes. Den Gastgebern kann's egal sein. Kroatien hat noch seine Chancen, doch es soll einfach nicht sein. Kurz vorm Ende schießt Oscar die Entscheidung, mit der Pike aus 20 Metern. Auch wieder so ein komisches Ding. So gewinnt Brasilien die Punkte, Kroaten dafür aber die Sympathien. Ein aufregender Auftakt war's, so kann die WM doch gerne weitergehen. Vielleicht mit weniger Schiedsrichterklöpsen, das wäre ganz nett.

Wie geht’s weiter? Krass, würd ich sagen, schließlich stehen jetzt die ersten Spiele in den beiden Todesgruppen B und D an. Die Neuauflage des WM-Finals 2010 inklusive, außerdem der erste Auftritt von England und Italien. Ich meld mich am Sonntag wieder, ate breve!