Bis zur 44. Minute war es ein recht munterer Kick, und dann ist das eingetreten, was nicht passieren durfte: Eine Verletzung im DFB-Team, eine schwere, die dem Spieler einen Tag vor Abflug nach Braslien wohl die WM-Teilnahme kostet. Es wäre alles weit weniger dramatisch, wenn dieser Mann nicht das Trikot mit der Nummer 21 tragen würde, der Name »Reus« steht drauf, und drin steckt der zurzeit formstärkste Nationalspieler. Erst kürzlich wurde der Dortmunder zum Mann der Saison gekührt. Nun liegt er da mit schmerzverzerrten Gesicht am Boden, und kann nur von Betreuern gestützt das Spielfeld verlassen. Das ganze Stadion und ganz Fußball-Deutschland hält in jenem Moment den Atem an, betet insgeheim, dass das nichts Schlimmes ist. Doch die Fernsehbilder verheißen nichts Gutes: Marco Reus versucht einem Armenier den Ball vom Fuß zu stibitzen und hat deinen Fuß zur falschen Zeit am falschen Ort - Er verhakt sich, knickt um, fällt. Spät in der Nacht kommt die Diagnose:
Teilabriss des Syndemosebandes. Man muss kein Mediziner sein, um
daraus auch eine gewisse Schwere der Lädierung herauszulesen. Der
DFB hat vorhin dann die traurige Botschaft verkündet: Das ist das WM-Aus
Es ist kein Ausfall, der Deutschland in
tiefer Tristesse zurücklässt, wie 2010 der Verlust des
einzigen Weltstars Michael Ballack. Doch dass es ausgerechnet Marco
Reus erwischte, ist an Bitterkeit kaum noch zu überbieten. In den
letzten Wochen wurden immer wieder die formschwachen und kränkelnden
Teile des Nationalteams hervorgehoben, nur um ihnen dann ein gutes
Beispiel entgegenzustellen: Marco Reus, seit Monaten in
atemberaubender Verfassung. Wenigstens haben wir noch ihn, so der
Tenor. Dumm gelaufen.
Nun ist es aber so, dass der restliche Spielverlauf der allgemeinen Grundstimmung noch etwas Hoffnungen entgegenzusetzen hatte. 6 zu 1 hieß es am Ende gegen Armenien. Zwar wurde der Gegner immer müder, doch das soll das Ergebnis nicht herunterspielen. Auf den schnellen Schock der Reus-Verletzung folgte bald schon wieder gute Laune - verbreitet durch die Tatsache, dass man den Verlust zwar nicht 1 zu 1 ersetzen kann, doch zumindest annähernd kompensieren. Das ist eben der Vorteil, wenn man eine »goldene Generation« im offensiven Mittelfeld hat: Selbst bei Verletzungen wird das Team qualitativ nicht wirklich schlechter. Andre Schürrle und Lukas Podolski könnten beispielsweise den Part von Marco Reus auf der linken Seite spielen. Letzterer tat das mit einer grandiosen Vorstellung, die sich am Ende in einem Tor und nicht weniger als drei Torvorlagen niederspiegelt. Man kann vom Glück reden, dass wir hinter dem derzeit besten Deutschen Marco Reus die besten Joker im gesamten Kader haben. Hoffnung machte aber auch der Rest: Mesut Özil hatte mal wieder einen guten Tag. Mario Götze machte zwei Tore, zeigte sich ebenso verbessert. Miro Klose machte seinen 69. Länderspieltreffer und stellte damit einen neuen DFB-Rekord auf, vor allem aber zeigte er, dass er pünktlich zum Turnierstart wieder in Topform sein wird, auch mit bald 36 Jahren. Zudem laufen Lahm und Schweinsteiger endlich wieder rund. Ja, okay, der Gegner hieß nur Armenien, doch der Auftritt verbreitet doch so etwas wie Optimismus.
Heute Abend beginnt für die
Nationalmannschaft mit dem Abflug das Abenteuer Brasilien. Marco Reus wird das Abenteuer nicht miterleben, und das
tut schon ein bisschen weh. Für ihn hat Joachim Löw jetzt Shkodran Mustafi nachnominiert. Viele hätten jetzt sicherlich lieber Kevin Volland als zweiten Stürmer im Kader gesehen, doch das Trainerteam entschied sich für eine Verbreiterung der Defensive. Falsch ist es nicht, denn vorne sind wir nach wie vor überbesetzt. Nun gut, wir werden sehen